Ausstellung Kunst mit kalkuliertem Bruch
Jürgen Grölle präsentiert zwölf Künstler in einer Ausstellung, die „Kein Zufall“ ist.
Sie ist so etwas wie ein Rückblick zum Zehnjährigen seiner Galerie, die zwar erst 2010 an den Start ging, aber gedanklich und inhaltlich 2009 Form annahm. Und sie spiegelt Jürgen Grölles eigenen Kunstbegriff, den er im Spannungsfeld zwischen Ordnung und Chaos verortet, im Widerspruch zwischen schöner, glatter Oberfläche und breitem Pinselstrich sieht, der sie bewusst (zer)stört. „Kein Zufall“ lautet denn auch der Titel seiner neuen Ausstellung, die seit dem Wochenende eine sehr persönliche Auswahl an aktueller bildender Kunst zeigt.
Auf der Einladungskarte zu „Kein Zufall“ purzeln Styroporstücke durcheinander, Überbleibsel geplanter Verpackungskunst, wiederverwertbarer Abfall, dessen Zusammensetzung daran erinnert, dass er einmal einer Ordnung folgte. Sinnbild dessen, was alle zwölf Künstler eint, die Grölle bis 13. Oktober in beiden Galerieräumen mit bis zu drei Arbeiten zeigt: „Alle verfolgen einen Gestaltungswillen, Ordnungsprinzipien, beschäftigen sich mit den klassischen Kompositionsfragen und setzen diese bewusst Brüchen aus“, erklärt der Galerist, der die Künstler aus Deutschland, den USA und Spanien gezielt zusammengeführt hat.
Spontane „Kritzeleien“
sind wohl durchdacht
Allen voran die drei älteren, in den 40er Jahren in den USA geborenen Künstler, die Grölle stolz präsentiert. Jonathan Lasker, den er als junger Mann 1984 für sich entdeckte, „in dessen Kunst sich manifestiert, was ich selber empfand“. Dessen vom Graffiti inspirierte „Kritzeleien“ über farbigem Muster spontan wirken, aber wohl durchdacht sind. Oder David Reed, der bereits Mitte der 70er Jahre den dicken Pinselstrich als artifizielle, kontrollierte Darstellungsmöglichkeit nutzte. Dessen Bilder stets eine Geschichte erzählen und einen architektonischen Bezug haben. Dritter im Bunde ist Gary Stephan, dessen Bild „Times Arrow“ mit seinem vielschichtig weißen, an einer Stelle bewusst unterbrochenen Muster „extrem viel entdecken lässt“. Auch hier ist die offene Prozesshaftigkeit gewollt und alles andere als zufällig.
Zu entdecken sind außerdem zwei Künstler, die Grölle erstmals zeigt: Jost Münster (1968 in Ulm geboren ) und Britta Bogers (1964 in Goch geboren), die beide das Spiel mit Perspektiven und Rastern, mit glatten und holprigen Oberflächen beherrschen, gewohnte Sehweisen unterbrechen, indem ein Spanngurt zum Rahmen umfunktioniert wird, der gleichwohl den Bild-Inhalt nur schwer zusammenhalten kann, indem Farbblitzer den Formenverlauf begleiten, das Auge anziehen.
Die Helden der klassischen Moderne auf den Boden geholt
Bei Klaus-Martin Treder (geboren 1961 in Biberach) wird Farbe zum Material, das Bild zur Bühne, auf der Farbformen wie andere Gegenstände – Kaffeebohnen oder Tütenverschlüsse – eine eigene Poesie und Schönheit entwickeln. Erinnerungen an Marcel Duchamps Readymades werden wach, die sich auch Bert Didillon (1965 in Wuppertal geboren) zunutze macht, indem er eine Kiste mit Leuchtfarbe bemalt oder mehrere, leicht demolierte Kartons streicht und kunstvoll zu einem Turm verbaut. „Er führt die Helden der klassischen Moderne weiter, erlaubt Entwicklung, und holt sie zugleich auf den Boden“, schwärmt Grölle. Eben alles andere als Zufall.
Komplettiert wird die Einladung zu zeitgenössischen Werken, die das Wesen der abstrakten Kunst untersuchen und weiterentwickeln, durch Arbeiten von Dan Devening (1958 Florida), Julio Rondo (1952, Sontrondio, Spanien), Wolfgang Flach (1974, Reutlingen), Jason Karolak (1974, Rochester) und Lothar Götz (1963, Günzburg), dessen geometrisch angeordnete Farbflächen Grölle Anfang der 90er Jahre als erster ausstellte.