Oper Mit pinkfarbenem Tuffi, Smartphone und Begeisterung das Publikum verführen
Donizettis „Der Liebestrank“ wird Karnevalssamstag im Opernhaus aufgeführt. Die Inszenierung verspricht eine große Show mit bunten Effekten und ganz viel Gefühl.
Die Verführung ist knallgrün und pinkfarben, digital und plüschig, mit analogen Menschen, die manchmal Stereotypen gleichen und doch echte Gefühle zeigen, mit riesigen aufgeblasenen Elefanten und Soldaten, die alles andere als martialisch sind. Die Verführung ist zentrales Motiv in Stephan Prattes’ Inszenierung der Oper „Der Liebestrank“.
Es soll eine Show im besten Sinne werden, mit guter Musik, mit musicalartigen, ernsthaften Elementen und vielen bunten Knalleffekten. Der man anmerkt, dass der Kopf dahinter Spaß an der Arbeit hat. „Mir selbst gefällt die Oper einfach immer besser“, strahlt Prattes und tritt an, die etwas angestaubte komische Oper von Gaetano Donizetti zu neuem Leben zu erwecken. Am 22. Februar, Karnevalssamstag, feiert sie im Opernhaus in Barmen Premiere.
Die Welt des Theaters zog Stephan Prattes, der im österreichischen Graz aufwuchs, schon früh in ihren Bann. Mit 15 Jahren gründete er sein eigenes Kinder- und Jugendtheater, das es heute noch gibt, machte von Anfang an alles, was eine Bühne erfordert, selbst – vom Bühnenbild, über Regie und Technik bis hin zu Auftritt und Gesang. Studierte erst, als man ihn darauf aufmerksam machte, dass das auch geht. Bis heute würde Prattes „am liebsten alles im Theater machen“, beschränkt sich aber auf Regie, Kostüm- und Bühnenbild. Arbeitet viel in Berlin, wo er lebt, die Erfolgsproduktion „Am Rande der Nacht“ mit Katharine Mehrling entwickelte und 2017 die Auszeichnung „Show des Jahres“ für seine Japan-Revue „Sayonara Tokyo“ erhielt. Auch am Saarländischen Staatstheater betreute er viele Opern- und Musicalaufführungen, lernte dort den damaligen Operndirektor Berthold Schneider kennen. Vor drei Jahren holte dieser dann die „Rocky Horror Show“ nach Wuppertal, für die Prattes das Bühnenbild geschaffen hatte, und bot ihm im Winter 2018 die Inszenierung von „Der Liebestrank“ an.
„Die Oper ist schön, anregend, aber nicht energiegeladen. Sie ist schräg, wird aber oft brav und langweilig inszeniert. Sie muss etwas aufgepeppt werden“, begründet Chefdramaturg David Greiner die Anfrage bei Prattes, der mit vielen bekannten Regisseuren zusammenarbeitete. Und der den „Liebestrank“ schon mal in Aachen als Kostümbildner begleitet hatte. „Das Angebot Schneiders war mein Weihnachtsgeschenk“, sagt er. Ein Geschenk, das er begeistert und mit viel Einsatz verpackt. Dafür erkundete er zunächst die Stadt, sammelte Eindrücke, nahm die Schwebebahn, die Skulptur des Kopf stehenden Bankers des belgischen Künstlers Guillaume Bijl am Kasinokreisel oder Tuffi wahr. Sammelte Themen, bündelte sie und brachte sie in einen neuen Zusammenhang.
In goldenen Lettern ist Seduzione (Italienisch für Verführung) vor der goldenen Brandschutzwand der Bühne zu lesen. Prattes’ „Liebestrank-Stück“ um den Verführer Dulcamara, „den Zauberer von Oz“, spielt im Heute, der Quacksalber und Heilsbringer wird zunächst auf einem riesigen Smartphone-Display live übertragen, bevor er analog auf der Bühne erscheint. Sein Liebestrank, sein Mittel der Verführung ist das Smartphone. Die grün glänzende Bühne hat Prattes’ Freund, der Illustrator Andree Volkmann, mit schwarzen abstrakten Formen bemalt, die zum Enträtseln einladen, vor allem aber „emotional wirken sollen“.
Dulcamara ist der Heilsbringer, der Zauberer von Oz
Die Oper ist ein personenreiches Stück. Zu den vier Hauptprotagonisten gesellen sich echte und Papp-Statisten, die Soldaten mimen, oder Schnitter, dargestellt vom 25-köpfigen Opernchor, der die Gesellschaft spiegeln und die Geschichte der Oper aus anderer Perspektive kommentieren soll, zugleich Opfer der (Verkaufs-)Verführungskünste Dulcamaros ist. Prattes stellt ihn wie lebendige Skulpturen auf mobile Stelen, die auf der Bühne verteilt sind. Steckt ihn, gemeinsam mit Kostümbildnerin Heike Siedler, in Kostüme von Menschen aus dem 19. Jahrhundert bis in heutige Zeit, darunter Wuppertaler Persönlichkeiten wie Else Lasker-Schüler oder Carl Duisberg, aber auch ein Manga-Mädchen, eine Muslimin oder ein Geschäftsmann.
Den Gesangspart übernehmen diesmal ausschließlich Mitglieder des Ensembles, die die Geschichte um Adina und Nemorino, Belcore und Dulcamara nicht nur stimmlich, sondern actionreich verkörpern. Dazu gehört auch, dass Belcore seiner Angebeteten keinen Blumenstrauß, sondern einen pinkfarbenen Plüsch-Tuffi überreicht, der damit ausgebotete Nemorino vor der Pause unter einem riesigen Plüsch-Elefanten, Symbol seiner Niederlage, „begraben“ wird, das Brautpaar von einem sechs Meter hohen aufgeblasenen Elefanten auf die Bühne getragen wird, den die Wuppertaler Firma LOB Design hergestellt hat.
Nach der Pause, so Prattes reduziere sich dann das Dekorative, während der Beziehungsstreit seinem Höhepunkt samt Nemorinos berühmter Arie „Una furtiva lagrima“ zustrebe. Begleitet vom Sinfonieorchester unter Leitung vom ersten Kapellmeister Markus Pell, der spritzig und temporeich dirigiere, schwärmt Greiner, und „einfach die richtige Temperatur finde“, so Prattes.
Beste Voraussetzungen also. Jetzt muss der Begeisterungsfunke nur noch aufs Publikum überspringen.