Wie man Wagner austrickst
Tenor Tilmann Unger über Parsifal als Blauhelm und die unterschätzte Operette.
Wuppertal. Seinen herausragenden Parsifal singt der Münchner Tenor Tilmann Unger nur noch am Karsamstag und Ostermontag im Wuppertaler Opernhaus.
Herr Unger, Wagner-Opern gelten bei Zuschauern als schwer und anspruchsvoll. Sehen Sie das als Sänger ähnlich?
Tilmann Unger: Der Parsifal ist in allen Lagen sehr klangfordernd. Aber ich fühle mich wohl damit und könnte danach noch weitersingen.
Obwohl Sie den zweiten Aufzug in weiten Teilen durchsingen?
Unger: Der ist schon strapaziös — aber trotzdem leichter als rein ariöse Opern, weil die Gesamtenergie stimmt.
Zu Ihrem Repertoire gehören auch Operetten. Singen sich diese Partien leichter?
Unger: Die singe ich nicht mehr oft, seitdem ich nicht mehr am Gärtnerplatztheater bin. Aber Operetten wie die „Gräfin Mariza“ und die Lehár-Stücke sind keine Erholung, allenfalls mental. Das Genre wird immer unterschätzt und leider oft als Tingeltangel präsentiert.
Mögen Sie den Parsifal?
Unger: Parsifal ist als Figur schon schwierig. Aber ich kann in der Inszenierung von Thilo Reinhardt sehr gut mit der Figur leben, weil viele Dinge, die einen an Wagner stören, aufgelöst sind.
Nämlich?
Unger: Dieses furchtbare Frauenbild — bei Wagner müssen die Frauenfiguren immer irgendwann entseelt zu Boden sinken, weil sie sich nicht entwickeln. Das wird hier durchbrochen. Mir gefallen auch die ironischen Spitzen, wenn die „heiligen Stellen“ nicht pathetisch, sondern beiläufig klingen.
Finden Sie denn schlüssig, dass Parsifal im dritten Aufzug als Blauhelmsoldat zurückkehrt?
Unger: Schon. Er begibt sich ja auf die Spuren seines Vaters, der als Soldat gestorben ist. Das Militär finden wir aber eigentlich nicht so gut. Was kommt danach als Zweitbestes? Die UN-Blauhelme, die etwas Gutes wollen und nicht aggressiv auftreten. Bei Parsifal klappt das halt nicht.
Als in Wuppertal 2014 das feste Opernensemble aufgelöst wurde, gab es eine große Diskussion. Was liegt Ihnen mehr fester oder freier Sänger?
Unger: Eine zweischneidige Sache. Ohne festen Vertrag muss man niemanden fragen, was man wo singt. Es ist zugleich stressiger, übt aber die Eigenverantwortung. Für junge Sänger ist ein festes Ensemble wichtig, weil sie im geschützten Raum gut ein Repertoire aufbauen können. Ich war jetzt als Tristan angefragt, den müsste ich mir allein erarbeiten. Das dauert mit Coach bestimmt ein Jahr — solche Partien sind als freier Sänger letztlich nicht zu stemmen. Ich freue mich daher, dass ich ab 2016 in Nürnberg wieder zu einem Ensemble gehöre.
Für das Foto waren Sie gerade ohne Schal draußen. Müssen Sie nicht auf Ihre Stimme aufpassen?
Unger: Ach, ich war neulich drei Tage von früh bis spät im Garten — das immunisiert am besten.