Kultur Solokontrabassist Andrew Lee liefert Bonbon des Programms
Benefizkonzert des Sinfonieorchesters zum Tag der Deutschen Einheit.
Seit 30 Jahren wird der Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober gefeiert. In Wuppertal traditionsgemäß mit einem Benefizkonzert des Sinfonieorchesters (SOW) in der Stadthalle. In diesem Jahr ergab die Spende 10 250 Euro. Renate Warnecke und Frank Gottsmann konnten den Scheck für „ZWAR“, eine Vereinigung älterer Mitbürger, die zwischen Arbeit und Ruhestand ihr Leben zusammen gestalten wollen, entgegennehmen. Noch-OB Andreas Mucke würdigte in seiner Rede die Bedeutung der Bürgerpflichten. Bei der anschließenden Nationalhymne durfte coronabedingt nicht gesungen werden.
Das sehr gut besuchte Festkonzert wurde mit der Bläsersinfonie für 24 Bläser von Igor Strawinsky (1882-1971) eröffnet, der das einsätzige Werk 1920 zum Tod seines Freundes Claude Debussy geschrieben hat. Der polnische Dirigent Łukasz Borowicz hat als Sternschnuppe am Musikhimmel Karriere gemacht und vor vielen großen Orchestern Europas gestanden und bietet eine eindrucksvolle Diskographie von mehr als 30 CDs. Mit klarem Dirigat gestaltete er die etwas spröde Musik souverän, immer ausgleichend zwischen den verschiedenen Bläsergruppen trotz stellenweiser vertrackter Rhythmik.
Sergei Kussewitzki (1874-1951) prägte als Chefdirigent des Boston Symphony Orchesters 24 Jahre lang das US-amerikanische Musikleben. Bela Bartok schrieb auf seinen Auftrag hin das Konzert für Orchester. Er entdeckte Lorin Maazel wie Leonard Bernstein. Als Komponist zwar weniger bekannt, gehören seine Kontrabasskonzerte dennoch zum Repertoire. Das Konzert für Kontrabass und Orchester in fis-moll op. 3 lebt von spätromantisch-russischen, gefühlsbetonten Melodien, die auf dem Kontrabass allerdings ihr eigenes Flair entwickeln. Der Komponst widmete das Konzert seiner Geliebten gewidmet, die er noch im Jahr der Uraufführung heiratete.
Solist Andrew Lee ist seit 2013 als Solokontrabassist im SOW tätig. Alles andere als alt und verbittert wie bei Süskind spielte er mit hinreißender Technik das stellenweise virtuose Konzert, immer wieder tief über die Zargen gebeugt, mit Daumenaufsatz hoch hinauf in Richtung Steg. In Zwiesprache mit den verschiedensten Orchesterstimmen schöpfte er seelen- wie ausdrucksvoll alle Möglichkeiten des Kontrabasses aus. Als Mitglied des Kontrabassensembles Bassiona Amorosa eine Traumbesetzung für dieses tiefe Liebeslied. Welch seltenes Bonbon des Programms!
Zuletzt wurde Tschaikowskis (1849-1893) sehr bekannte Streicherserenade op. 48 angestimmt. Aus seiner Verehrung für Mozart entstand die kleine Orchesterbesetzung zwischen Streichquintett und Kammerorchester, damals keine Forderung von Virologen und Gesundheitsämtern. In Bewunderung für dessen Leichtigkeit und Eleganz schrieb Tschaikowski das Werk und konnte dessen Uraufführung 1880 kaum erwarten. Komponiert hat er sie in einer seiner seltenen Phasen psychischer Ausgeglichenheit und Stabilität: alle Sätze in Dur. Musikalisch vereinen sich deutsche Spätromantik mit französischer Eleganz und russischer Seele.
Gastdirigenten Łukasz Borowicz harmoniert mit Orchester
Die schnellen wie heiklen Passagen des 1. Satzes kamen gestochen in fast lupenreiner Brillanz. Der populäre Walzer des 2. Satzes gilt unter Musikern als höllisch schwer wegen seiner schwierigen Agogik. Vorhalte, Verzögerungen und a tempo-Wiederherstellungen des Zeitmaßes gelangen in größter Leichtigkeit musikalisch und sensibel. Das Orchester folgte dem Gastdirigenten aufmerksam und konzentriert. Das Publikum „fühlte sich jünger und munterer“. Elegisch sangen Violoncello und Geige im 3. Satz einander zu, bevor sich die Bratsche herrlich lyrisch zu Ohr meldete. Nach wunderbaren Pianissimi, Generalpause und Himmelssphärenmusik wird Im flotten 4. Satz der russischen Seele mit zwei Volksliedern unterschiedlichen Charakters gehuldigt. Zuletzt wird das markante Eingangsthema aus dem 1. Satz erneut aufgegriffen, bevor das Konzert mit einer sehr schnellen Stretta furios zu Ende geht.
Nach starkem Applaus leerte sich der Saal im Gänsemarsch, wie coronabedingt nötig.