Pikrinsäure gefunden: So explosiv wie Sprengstoff

Reihenweise melden Apotheken den Fund der Substanz. Jetzt warten sie auf die Spezialisten des LKA.

Wuppertal. Die Albert-Schweitzer-Apotheke in Ronsdorf war am Freitag, 15. August 2008, die erste, die ihren Laborbestand auf die gefährliche Pikrinsäure untersuchte und tatsächlich eingetrocknetes Pulver fand. "Apotheken sind verpflichtet, Pikrinsäure vorrätig zu haben", erklärt Antoinette Jakobitz. Im Jahr 2000 hat sie die Apotheke an der Staasstraße übernommen und seitdem die Pikrinsäure auch nicht verwendet.

"Solange sie flüssig ist, ist sie völlig ungefährlich. Sie wurde zum Mikroskopieren verwendet", sagt die Apothekerin. Mittlerweile gibt es bessere Hilfsmittel, so dass die Bestände in den Apotheken so langsam austrocknen. 40 Milliliter mussten bis jetzt in jeder Apotheke vorhanden sein, seit den neuesten Gefahrenmeldungen wird das möglicherweise bald geändert.

Gestern meldeten fünf weitere Apotheken in Wuppertal, dass sie trockene Pikrinsäure in ihrem Labor gefunden haben. Sie gaben ihren Fund bei der Polizei an, die wiederum benachrichtigte die Feuerwehr, die dann vor Ort das Labor absperrt. "Die Verkaufsräume sind überhaupt nicht betroffen", sagt Jakobitz. Denn das Labor liege zur Rückseite des Hauses und sei durch eine Feuerschutztür gesichert.

Entsorgen kann die Feuerwehr den gefährlichen Stoff nicht. "Das müssen Sprengstoffexperten des Landeskriminalamtes übernehmen", so ein Sprecher der Feuerwehr. Wann der Kampfmittelräumdienst jedoch zu den Wuppertaler Apotheken anrückt, ist noch ungewiss. "Wenn die Gefäße nicht bewegt oder geöffnet werden, geht von ihnen keine Gefahr aus", sagt Marc Holste, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit beim LKA in Düsseldorf. "Meistens stehen die Behälter ja schon jahrelang dort."

Priorität haben zurzeit die Schulen des Landes, erst wenn in ihren Chemieräumen die Gefahr gebannt ist, kommen die Apotheken an die Reihe. Es habe zudem länger gedauert, bis die Apotheker ihre Bestände überprüft hätten, so Holste. Polizei und Feuerwehr sind darauf angewiesen, dass Betroffene sich melden. Denn ein sukzessives Abarbeiten jedes Laborbstandes sei nicht vorgesehen. Die Gefäße, die oft nur 50Milliliter fassen, dürfen auf keinen Fall bewegt werden. "Den Deckel abzuschrauben kann ausreichen, um eine relativ große Explosion auszulösen", sagt Holste. Deshalb transportieren die LKA-Mitarbeiter auch die Pikrinsäure nicht ab, sondern sprengen sie vor Ort. Die Sprengwirkung ist vergleichbar mit der von TNT und ein Transport viel zu gefährlich.

"Wir haben Verstärkung von der Bundepolizei bekommen", so Holste. Denn die Tatortgruppe Sprengstoff/Brand, die für diese Einsätze zuständig ist, kommt augenblicklich nicht mehr nach. "58 Einsätze haben wir bisher abgeschlossen, 130 sind noch offen", so die Bilanz des LKA. Es kann also noch dauern, bis die Wuppertaler Apotheken an der Reihe sind.

Die Bergische Uni hat nach Angaben des Leiters des Dezernats für Sicherheit und Umweltschutz, Dieter Szewczyk, nur flüssige Pikrinsäure im Bestand: "Wir arbeiten mit diesem Stoff, deshalb wird er regelmäßig aufgebraucht und altert nicht."

Und die Wuppertaler Schulen? Die wurden nach Angaben von Sabine Fahrenkrog vom zuständigen Stadtbetrieb bereits unmittelbar nach den Ferien angeschrieben, um ihre Chemieräume nach Pikrin-Rückständen zu durchforsten. Von 80 Prozent der Lehrbetriebe liege mittlerweile eine Rückmeldung vor. In drei Schulen wurde Pikrin entdeckt - allerdings sachgemäß, also feucht gelagert. Das brisante Material soll laut Fahrenkrog nun eingesammelt und entsorgt werden.