Wuppertal - Interview mit der Kinderärztin Michaela Schönhärl-Mönks Schulanfänger können sich heute schwerer konzentrieren

Die Kinderärztin Michaela Schönhärl-Mönks testet, ob Kinder körperlich und geistig fit genug für die Schule sind.

Michaela Schönhärl-Mönks untersucht unter anderem, ob Kinder gut hören und ob sie zählen können.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Die Kinderärztin Michaela Schönhärl-Mönks leitet beim Wuppertaler kinderärztlichen Dienst regelmäßig Schuluntersuchungen. Im Interview erklärt sie, wie eine schulärztliche Untersuchung zur Feststellung der Schulfähigkeit abläuft und warum der Besuch eines Kindergartens wichtig ist für Kinder.

Gibt es noch die klassische Untersuchung der Schulreife bei Kindern?
Michaela Schönhärl-Mönks: Man untersucht heute die Schulfähigkeit. Das bedeutet, dass die Kinder die für den Schulbesuch erforderlichen Voraussetzungen erfüllen sollen — sowohl körperlich als auch geistig und im Sozialverhalten. Bei der ärztlichen Untersuchung geht es um die Abklärung von erreichten Entwicklungsstufen, die notwendig sind, um in der Schule gut lernen zu können, die sogenannten schulrelevanten Vorläuferfertigkeiten.

Schaffen Sie inzwischen alle Untersuchungen vor den Sommerferien?
Michaela Schönhärl-Mönks:
Vom aktuellen Stand aus gesehen ja. Die Untersuchungstermine, die nicht wahrgenommen werden konnten und für die von den Eltern kein Ersatztermin vereinbart wurde, werden wir allerdings nicht vollständig nachholen können.

Wie läuft die Untersuchung in Wuppertal ab?
Michaela Schönhärl-Mönks:
Das Landeszentrum Gesundheit NRW hat eine Systematik der schulärztlichen Untersuchung entwickelt, an der wir uns orientieren. Zuerst findet eine standardisierte körperliche Untersuchung statt, mit Dokumentation nach festen Definitionen. Dazu gehört auch ein Sehtest, ein Hörtest, die Erfassung von Größe, Gewicht und der Anzahl der Impfungen sowie die Erfassung der Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen. Dann kontrollieren wir, ob die Kinder zählen können, ob sie Kategorien erfassen und ihre Bewegungen grob- und feinmotorisch koordinieren können sowie die visuelle Wahrnehmung mit handmotorischer Umsetzung (also Formen erkennen und malen können) und ihr Mengenvorwissen. Die Sprache überprüfen wir standardisiert bezüglich der Artikulation, dem Gebrauch von Plural und Präpositionen sowie des Nachsprechens von Pseudowörtern. Hierbei werden die Deutschkenntnisse und die Erstsprache des Kindes berücksichtigt.

Kommt es vor, dass Sie Eltern raten, noch ein Jahr mit dem Schulbesuch zu warten?
Michaela Schönhärl-Mönks:
Selten, es besteht ja die gesetzliche Schulpflicht. Der Arzt bewegt sich bei der Empfehlung zur Rückstellung in einem engen gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Zu unterscheiden ist die pädagogische von der medizinischen Rückstellung. In NRW kann ein Kind laut Schulgesetz aus gesundheitlichen Gründen zurückgestellt werden aufgrund schwerwiegender körperlicher Erkrankungen oder bei gravierenden kinder- und jugendpsychiatrischen Störungsbildern. Die Entscheidung trifft immer der Schulleiter auf Grundlage der schulärztlichen Begutachtung.

Was sind die häufigsten Probleme bei Wuppertaler Schulanfängern?
Michaela Schönhärl-Mönks:
Bekannte Probleme gibt es in den Entwicklungsbereichen Grobmotorik, Feinmotorik und der Sprachentwicklung. Aber auch Über- und Untergewicht sind immer wieder ein Thema. Zunehmend sehen wir Anzeichen von Schwierigkeiten in der Konzentration und Aufmerksamkeit.

Welche Tipps geben Sie Eltern, damit ihr Kind fit für die Schule wird?
Michaela Schönhärl-Mönks:
Sehr wichtig ist der Besuch einer Kindertagesstätte. Auch strukturierte Tagesabläufe mit vielen Bewegungsangeboten wie regelmäßige Spielplatzbesuche sind gut für die Kinder. Wenn die Eltern dann noch Bilderbücher anbieten, Geschichten vorlesen und den Medienkonsum verantwortungsvoll begleiten, ist viel gewonnen. Insgesamt müssen die Eltern viel Zeit und Geduld aufwenden, um den Kindern das Erlernen der Selbstständigkeit zu ermöglichen.