Wuppertal Darum wird der Schwebebahn-Betrieb so drastisch eingeschränkt

Wuppertal · Der Betrieb der Schwebebahn wird massiv eingeschränkt - voraussichtlich für ein ganzes Jahr. Warum das so ist? Das sagen die Verantwortlichen der Wuppertaler Stadtwerke und der Hersteller Electric Kiepe.

Wegen technischer Probleme wird die Wuppertaler Schwebebahn ein Jahr lang an Werktagen außer Betrieb genommen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Die Schwebebahn wird von August 2020 bis Sommer 2021 nur an den Wochenenden in Betrieb sein. Die WSW erläuterten am Freitagmorgen in einer Pressekonferenz die Gründe. Die wichtigsten Statements:

Dietmar Bell (Aufsichtsratsvorsitzende des WSW-Konzerns): „Das ist ein schwerer Tag für den gesamten Stadtwerkekonzern und die Stadt Wuppertal. Wir sind uns alle klar, dass die Seele der Stadt getroffen ist und sich die Menschen sehr viele Fragen zur Schwebebahn stellen werden. Von den 29 Fahrzeugen werden nach der Sommerpause nur noch zehn betriebsbereit sein können, ein regulärer Schwebebahnbetrieb hätte nicht aufrecht erhalten werden können.“

In einer Sondersitzung des Aufsichtsrates sei am Donnerstag vereinbart worden, dass jetzt vier Jahre nach dem Start der neuen Bahnen keine Geduld mehr mit dem Hersteller besteht. Das Vertrauen sei massiv erschüttert. Die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) schätzen die Kosten für Reparaturen , Einnahmeverluste und Ersatzmaßnahmen vorläufig auf sechs Millionen Euro.

„Wir wollen in unserer regulären Aufsichtsratssitzung im August über eine Klageerhebung entscheiden. Wir müssen bewerten, ob eine Klageerhebung ein Risiko darstellt, das könnte der Fall sein, wenn noch Abhängigkeiten gegenüber dem Hersteller bestehen würden. Danach sieht es vor einer abschließenden Bewertung nicht aus. Es geht um Schadenersatzforderungen und Vollzugsschäden für parallel laufende Projekte wie das Betriebssystem, Einnahmeverluste und gestiegene Kosten für Reparaturen und Wartung. Wir bereiten uns auf die Klageerhebung im August vor. Nach meiner Auffassung werden wir diesen Weg bestreiten. Über das Verhalten von Kiepe Elektric bin ich erstaunt. Bei vielen Mängeln, die wir angesprochen haben, war Kiepe nicht bereit, sich an der Beseitigung zu beteiligen. Ich erwarte von Kiepe Electric und dem Anteilseigener Knorr, dass sie sich an der Schadensbehebung beteiligen“, sagt Dietmar Bell. Zuvor hatten die Stadtwerke bereits mitgeteilt, dass gegen den Hersteller der neuen Schwebebahn-Baureihe, den Düsseldorfer Fahrzeug-Hersteller Kiepe Electric, eine Klage wegen „Schlechterfüllung und Schadensersatz“ vorbereitet wird.

Ulrich Jaeger, Geschäftsführer WSW mobil: „Der Austausch der Bahnen war erforderlich, weil die bisherigen Bahnen am Ende ihrer Lebenszeit waren.Im Dezember 2016 wurde die erste Bahn des GTW 2014 mit einer Verzögerung von 16 Monaten durch Kiepe in Betrieb genommen. Die erwartete Laufzeit der Räder ist 60000 Kilometer - im August 2019 sind wir nach der Betriebspause mit 27 Fahrzeugen in Betrieb gegangen, damals alle mit neuen Rädern. Ende 2019 haben wir acht Bahnen außer Betrieb nehmen müssen wegen Problemen mit der Verklebung der Dächer. Der erste Wagen ging in eine Hauptuntersuchung. Zu dieser Zeit war es schon ein deutlich reduzierter Fuhrpark. Zum Lockdown im März hatten wir einen dramatischen Fahrgastrückgang. Die Schwebebahnen fuhren praktisch leer. Wir sind fast ohne Reduktion weitergefahren. Im April 2020 haben wir seit langer Zeit wieder einmal einen Fahrschienenbruch festgestellt. Das war noch kein Thema, das uns beunruhigt hat. Dann gab es erste Auffälligkeiten, was die Geräuschentwicklung angeht. Es gab schon immer ein Klappern im Bereich des Fahrers. Im Mai haben wir deutliche Gebrauchsspuren an den Rädern und Schädigungen an der Schiene festgestellt, die im Juni sprunghaft angestiegen sind. Einen solchen Zustand gab es bisher gar nicht. Die Räder der Bahnen sehen nun aus, wie sie nach 60000 Kilometern nicht aussehen dürften.“

Ein Schienentausch würde Jahre dauern

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Foto: Wolfgang Westerholz

Jaeger erklärte, dass die WSW sich eigenständig um technische Lösungen bemüht hätten. So um Auffälligkeiten am Drehgestell auf den Grund zu gehen. „Auf eigene Kosten wurde ein neuer Notfang (Achsenzähler) entwickelt, wodurch die Weichensteuerung verbessert wurden. Wir haben zahlreiche Mängel beseitigt, damit wir weiterfahren konnten. Ohne diese Maßnahmen hätten wir schon früher Probleme gehabt im Betrieb“, sagt Jaeger. Zentrales Problem sei, dass das Rad extrem schnell verschleiße und Schäden am Gerüst verursache. „Ein Schienentausch dauert Jahre, das wäre etwas, was wir uns nicht leisten können“, sagt Jaeger.

Kiepe Electric nimmt folgendermaßen dazu Stellung: „Aus fahrzeugtechnischer Sicht besteht kein Grund, den Betrieb einzuschränken. Diese Notwendigkeit ist der mangelnden Verfügbarkeit von Ersatzrädern geschuldet. Die rechtzeitige Beschaffung von Verbrauchsmaterial in Hinblick auf Terminen und Mengen obliegt dem Betreiber und nicht dem Hersteller des Fahrzeugs.“

Kiepe Electric habe großes Interesse an der transparenten und vollumfänglichen Aufklärung des vorliegenden Vorgangs. Nicht zuletzt, da sich in der Vergangenheit erhobene Vorwürfe, z.B. bezüglich des Materials des Drehgestells, nach gutachterlicher Prüfung als nicht haltbar herausgestellt hätten.

Die Räder wiesen mutmaßlich einen höheren Verschleiß auf, als die WSW erwartet hätten. Es gelte nun zu klären, ob dieser Verschleiß innerhalb des zu erwartenden Maßes liege oder abweicht, und was gegebenenfalls die Ursachen dafür sein könnten. Da zahlreiche Faktoren in einem komplexen Rad-Schiene-System für einen mutmaßlich erhöhten Radverschleiß die Ursache sein können, seien tiefergehende Analysen notwendig. Diese Faktoren könnten im Fahrzeug, in der Fahrbahn, den betrieblichen Vorgaben oder einer Kombination daraus liegen. Kiepe Electric hat diese Untersuchungen unverzüglich in die Wege geleitet, um zur vollständigen Aufklärung beizutragen.