Yukon-Rennen: Wuppertaler in der Eiswüste

1600 Kilometer legt Sebastian Schnuelle mit seinen Hunden bei minus 35 Grad zurück.

<strong>Wuppertal. Nur das Hecheln der Hunde und das Knirschen der Schlittenkufen auf dem trockenen Schnee durchbricht die Stille. Sebastian Schnuelle ist allein mit sich, der Natur, und seinem Schlittenhundegespann. Zwischendurch muntert er seine vierbeinigen Gefährten mit einem lauten "Hua" (links) oder "Gee" (rechts) auf. Danach legt sich das beständige Rauschen des Windes wieder über die Piste."Das Rennen ist eine einsame Geschichte. Aber genau das liebe ich so am Schlittenhundefahren", sagt der gebürtige Wuppertaler, der in Yukon ein bekannter Mann ist. Es gibt keine Zeitung, keine TV-Station, die noch nicht über den Auswanderer mit dem wilden Bart berichtet hat. Der Deutsch-Kanadier ist Schlittenhundefahrer - einer der Besten - und gehört zu den Favoriten beim Yukon Quest, einem 1600 Kilometer langen Eismarathon durch die Weiten Kanadas und Alaskas, an dem 28 Gespanne um Preisgelder von mehreren 10 000 Dollar kämpfen. Für Schnuelle ist es bereits die sechste Teilnahme und nach Platz sechs im vergangenen Jahr will er diesmal richtig angreifen. "Natürlich habe ich meine schnellsten Hunden dabei, aber trotzdem ist meine Taktik nicht auf Schnelligkeit ausgelegt", verriet er vor dem Start am Sonntag. "Ich werde mit den Hunden so zwischen 8 und 9 Meilen pro Stunde rennen. Das ist ein Tempo, dass sie lange durchhalten", weiß Schnuelle, der seine Tiere in und auswendig kennt. Seit Oktober hat er mit seinen Hunden 16 000 Übungskilometer absolviert. Kein Problem in seiner Wahlheimat, wo manche Autobahnen bereits seit September wegen des Schnees unpassierbar sind und der Yukon-River unter einer zwei Meter dicken Eisschicht verschwunden ist.

Für jeden Hund das Leibgericht: Leber, Rind, Lamm oder Biber

Die richtige Einteilung und optimale Pausen sind Schnuelles Erfolgsrezept. Pausen, vor allem an den Stationen, wo Tierärzte die Hunde untersuchen. Verletzte, kranke oder schwache Tiere werden aus dem Rennen genommen. An den Versorgungsstationen haben die Gespannführer auch die Möglichkeit, ihre Tiere zu bekochen. Kein Witz. Jeder Hund bekommt sein Leibgericht serviert. Leber, Rind, Lamm, Lachs, Huhn und Biber stehen ganz oben auf dem Wunschzettel seiner Lieblinge. Wie Alligatoren schlingen die 14 kleinen Laufwunder jeden Tag 20 Kilogramm Fleisch und Trockenfutter herunter (pro Hund etwa 15 000 Kalorien) und erhalten von ihrem Herrchen noch eine Massage für die beanspruchte Schulter- und Hüftmuskulatur. Erst dann bleiben Schnuelle noch ein, zwei Stunden, um sich in seinen Thermo-Schlafsack zu legen. Die Strecke ist teilweise nur dürftig markiert, aber Sorgen, sich zu verfahren, hat Schnuelle nicht. Er hat Vertrauen zu seiner zehnjährigen Leithündin "Tang". "Sie ist ausgeglichen und erfahren. Meine anderen 13 Hunde haben großen Respekt vor ihr", lobt er seine Veteranin, die bei jeder Quest-Teilnahmen dabei war. "Sie kennt die Strecke", ist sich Schnuelle sicher. Viereinhalb Tage für die 800 Kilometer bis Dawson City, dort eine vorgeschriebene Pause von 36 Stunden und dann noch einmal fünf Tage für die zweite Hälfte bis Fairbanks hat er geplant. Die bisherigen Strapazen bei bis zu minus 35 Grad lassen sich bei einem Blick in seine von Schlaflosigkeit und der eiskalten Luft geröteten Augen erahnen.

Die Müdigkeit ist der größte Feind der Hundeschlittenführer. Manche haben Halluzinationen und sehen Zwerge auf dem Strecke, andere schlafen vor Erschöpfung auf dem Schlitten ein, während die Hunde weiterlaufen.

Doch wer beim Yukon durchkommt, ist ein Held und deshalb kämpfen Jahr für Jahr die verwegensten Typen um Ruhm und Ehre. Aussteiger wie Schnuelle, Trapper, ehemalige Holzfäller oder Viehhirten und sogar acht Frauen. Im Moment liegt Schnuelle auf Platz 11 sogar vor seiner selbstgesteckten Marschtabelle und nimmt Kurs auf die besten Fünf.