Analyse: Der Schwund der evangelischen Kirche

Geldmangel und Kirchenaustritte: Die Herbst-Synode der EKD steht ganz im Zeichen der Krise.

Ulm. Nicht bloß Gottvertrauen, sondern viel Geschick wird von der künftigen Führung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) verlangt: Schrumpfende Mitgliederzahlen und Steuereinnahmen zwingen die Kirche zu grundlegenden Reformen.

Außerdem muss die Kirche den Kurs zur neuen Bundesregierung ausloten und das zuletzt getrübte Verhältnis zu den Katholiken wieder in ruhiges Fahrwasser bringen.

Energisch und entschlossen leitete der Berliner Bischof Wolfgang Huber den Wandel in der Kirche ein. Über seine Nachfolge an der EKD-Spitze entscheidet die Synode auf ihrer Herbsttagung (25.-29. Oktober) in Ulm.

Mit Hannovers Bischöfin Margot Käßmann als Favoritin könnte erstmals eine Frau zur Repräsentantin der 25 Millionen Protestanten in Deutschland gewählt werden. Seit langem ist die 50-Jährige neben Huber das Sprachrohr der evangelischen Kirche.

Ihre Beliebtheit nutzt die mediengewandte Theologin, um dem Wort der Kirche in der Gesellschaft Gehör zu verschaffen, auch wenn es um sozialpolitische Fragen geht.

Die bei ihrer Wahl vor zehn Jahren jüngste deutsche Bischöfin stößt weit über ihre Landeskirche hinaus auf Resonanz. Eine Krebserkrankung und die Scheidung ihrer Ehe, für die sie hinter den Kulissen Kritik einstecken musste, hat Käßmann überwunden.

Dass Frauen EKD-Spitzenämter offenstehen, hatte die Synode bereits bei ihrer Frühjahrstagung bewiesen, wo die Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) zur Vorsitzenden gewählt wurde.

Huber hatte prompt klargestellt, dass damit das Aufrücken einer weiteren Frau an die EKD-Spitze keineswegs behindert sei. Käßmanns Wahl ist aber noch nicht ausgemachte Sache - es werden noch andere Namen für das Amt des Ratsvorsitzenden genannt, etwa der Stuttgarter Bischof Frank Otfried July, der badische Bischof Ulrich Fischer oder Bischof Jochen Bohl aus Dresden.

Ob Käßmanns inzwischen einige Jahre zurückliegende Ehescheidung noch für Diskussionsstoff bei der EKD-Ratswahl in Ulm sorgt, ist fraglich. Sanktionen für ihr Führungspersonal bei Scheidungen hat die Kirche längst abgeschafft und auch die Landeskirche sprach der Bischöfin damals ihr Vertrauen aus.

Allenfalls eine Rolle spielen könnte das Kalkül, in den Dialog mit den in diesem Punkt kompromisslosen Katholiken nicht gleich eine geschiedene Frau als höchste Repräsentantin zu schicken.