Grüne vor Richtungsentscheidung

Die Ökopartei streitet um ihren künftigen Kurs.

Berlin. Aus Sicht von Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke wird der Bundesparteitag am Wochenende offenbar ein recht kuscheliges Beisammensein unter Parteifreunden. "Es geht weniger um Grundsatzkonflikte, als um Akzentuierungen", prognostizierte sie jüngst das Stimmungsbild der Partei aus den vorliegenden 63 Anträgen.

Der herbei geredeten Harmonie zum Trotz wartet auf die Grünen in Rostock durchaus Zündstoff. Die Öko-Partei steckt in einer vertrackten Ausgangslage. Als fünfte Kraft im Parlament droht ihr eine neue Rolle, die einem Eiertanz gleicht: So wollen die Grünen wo möglich und nötig in der Opposition kooperieren, aber eigenständiger denn je bleiben.

Am meisten Brisanz birgt die Frage, ob die Grünen im linken Lager bleiben wollen oder sich gen FDP und Union weiter öffnen. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne), der zum Realo-Flügel zählt, sagt: "Dieser Grundsatzkonflikt wird auszutragen sein."

Im Leitantrag "Grün macht Zukunft" will der Bundesvorstand mit Blick auf die nächste Bundestagswahl kein Bündnis mehr ausschließen. "Wir wissen heute noch nicht, welche realistischen Alternativen es im Jahr 2013 in einem Fünf-Parteien-System zu Schwarz-Gelb geben wird", heißt es darin.

Palmer hält dies für den richtigen Weg: "Ich bin schon länger der Meinung, dass der Text des Koalitionsvertrags und nicht die Farbe des Partners entscheidend ist", sagt der Tübinger OB. Hans-Christian Ströbele, der zum linken Flügel der Partei zählt, kontert: "Die Grünen laufen Gefahr, damit beliebig zu werden. Es kann doch nicht nur darum gehen, wie kommen wir an die Macht."

Ungeachtet derartiger Flügelkämpfe will die Partei den Kurs der Eigenständigkeit stärken, Schwarz-Gelb stellen und die Meinungsführerschaft in der Opposition erringen. Gemäß dem Vorstands-Leitantrag will die Partei weiter an ihrem Neuen Gesellschaftsvertrag festhalten und mit dem Kampf gegen Atomkraft und grüner Wirtschaftspolitik beim Wähler punkten.

Bevor die Grünen nach vorn blicken, wollen sie am Wochenende ihr Rekord-Wahlergebnis aufarbeiten. Zu sattsamer Selbstbeweihräucherung bestehe kein Anlass, konstatiert der hessische Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir in einem Papier mit 18 Thesen zur künftigen Rolle der Grünen. Darin fordert er die Partei auf, "sich aus dem Denken einer kleinen Partei zu befreien". Demzufolge könnten die Grünen auch bei den künftigen Landtagswahlen mit einem eigenen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten antreten.

Mit einem eigenen Kandidaten wollen die Grünen indes nicht in die NRW-Landtagswahlen 2010 ziehen. Landeschefin Daniela Schneckenburger sagt: "Dafür ist die Situation in NRW heute noch nicht reif", sagt