Analyse: Rassismus hält Einzug in den US-Wahlkampf
Obama und McCain hatten versprochen, fair zu bleiben. Jetzt wird die Hautfarbe Thema.
Washington. Wenige Wochen vor den Parteitagen der Demokraten und Republikaner hat sich der verbale Schlagabtausch zwischen den Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain deutlich verschärft. Zum ersten Mal seit Beginn des Wahlkampfes sprach McCain das bisherige Tabu-Thema Hautfarbe an und löste damit im Lager des demokratischen Hoffnungsträgers heftige Reaktionen aus.
Obwohl beide Kandidaten eine "respektvolle und saubere Kampagne" versprochen hatten, befürchten politische Experten nun, dass der Zweikampf in den kritischen Wochen vor der Wahl zu einer regelrechten Schlammschlacht ausarten könnte.
Begonnen hatte das Wortduell mit Obama, der bei einem Wahlkampfauftritt McCain vorwarf, ein Garant für die Fortsetzung der gescheiterten Politik unter George W. Bush zu sein. Da McCain den Wählern "nichts Neues zu bieten hat, will er Euch nun Angst einjagen und Euch weismachen, ich sei nicht patriotisch genug, ich hätte einen komischen Namen und sähe nicht so aus wie die anderen Präsidenten, die auf Dollarscheinen zu sehen sind". McCain schoss prompt zurück. "Ich bedauere, dass Senator Obama die Rassenkarte ausspielt, das ist negativ, beschämend und einfach falsch."
Obama hat nun eine Website einrichten lassen, die sich ausschließlich damit befasst, negative Anzeigen und persönliche Attacken seitens der Republikaner zu diskreditieren. In einer E-Mail, die von Obamas Lager gestern an Millionen seiner Anhänger verschickt wurde, warf er McCain vor, "eine gemeine Wende" im Wahlkampf eingeleitet zu haben.
Experten hatten längst vorausgesagt, dass die Debatte um die Hautfarbe in den Wahlkampf einfließen würde. "Fraglich war nur, wie vorsichtig die Kandidaten dieses heiße Eisen anfassen würden", erklärt der Politologe Mark Chandler. McCains Rückstand sei in den Umfragen geringer geworden. "Mit dieser riskanten Trumpfkarte hofft er nun, auf die Überholspur zu kommen."
Unklar ist, welcher der beiden Kandidaten den größeren Schaden davontragen wird. Unbestritten ist allerdings, dass viele Amerikaner nach wie vor Vorbehalte gegenüber einem afro-amerikanischen Präsidenten haben und zu Beginn des Wahljahres die Wahrscheinlichkeit, dass zum ersten Mal in der Geschichte eine Frau die Wahl gewinnen würde, deutlich höher eingeschätzt wurde als die Siegeschancen eines schwarzen Kandidaten.