Der Rebell als Versöhner
„Ihr könnt es nicht“, hatte Horst Seehofer dem Tandem Huber-Beckstein vorgeworfen. Nun kann er es besser machen.
Berlin. Im Laufe seiner Karriere hat sich Horst Seehofer regelmäßig neu erfinden müssen. Der Bundesgesundheitsminister wurde zum Anwalt der Landwirte, der Parteirebell verwandelte sich in den Versöhner. Es war ein langer Weg, den das Ingolstädter Arbeiterkind Seehofer bis zur CSU-Spitze zurücklegte.
Genau ein Jahr ist es her, dass er bei seiner ersten Kandidatur um den Parteivorsitz seinem Konkurrenten Erwin Huber unterlag. Nun kam niemand mehr am Agrarminister aus dem Merkel-Kabinett vorbei. Der 59-Jährige ist der einzige Politiker von nationalem Gewicht, den die CSU derzeit aufzubieten hat.
Mehrmals war Seehofer politisch fast am Ende. Eine lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung überstand er ebenso wie das mediale Trommelfeuer nach einer außerehelichen Affäre, die ihm lange nachhing. Als langjähriger Gesundheitsminister im Kabinett von Helmut Kohl boxte er konfliktträchtige Reformen durch. Kaum jemand hatte Seehofer auf der Rechnung, als ihn der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber im Jahr 2005 in die Bundesregierung hievte.
Dass er als Sozialpopulist gilt, ist nicht die schlechteste Voraussetzung für den designierten CSU-Chef. Aber Seehofer ist ein Mann, der viele Rollen beherrscht. Anders als Huber verfügt er über die Gabe, als Bierzeltredner die Menschen zu begeistern. Seehofer wird zugetraut, glaubhaft als Schutzmacht des sogenannten kleinen Mannes auftreten zu können.
Als jemand, der sich im Berliner Polit-Geschäft auskennt, soll er verhindern, dass die CSU zur weiß-blauen Regionalpartei schrumpft. Eine feste Verankerung in der Bundeshauptstadt fehlte dem bayerischen Finanzminister Huber. Dass Seehofer in Berlin präsent sein will, ist das stärkste Argument gegen einen möglichen Wechsel an die Spitze der bayerischen Landesregierung als Nachfolger des angeschlagenen Ministerpräsidenten Günther Beckstein.
Seehofer hat sich den Ruf eines machtbewussten Instinktpolitikers erworben. Er selbst beschrieb sich einmal als politiksüchtig, mimte aber später den Mäßigungsprediger. Als sich die CSU-Krise in den vergangenen Wochen und Monaten immer deutlicher abzeichnete, galt Seehofer als der Mann in Lauerstellung, sollte das Tandem Huber-Beckstein scheitern. "Ihr könnt es nicht", hatte er den beiden vor dem Parteitag im vergangenen Jahr ins Gesicht gesagt.
Just in dem Moment, als er vor einem Jahr seine Kandidatur für den CSU-Vorsitz ankündigte, wurde bekannt, dass Seehofer eine Beziehung mit einer Bundestagsmitarbeiterin hatte, die ein Kind von ihm erwartete. Nach einigen Wochen verkündete er: "Die Familie Seehofer bleibt zusammen."
Erneute Ambitionen auf den Parteivorsitz hatte Seehofer noch vor drei Wochen als "Lichtjahre von der politischen Realität entfernt" dementiert. Doch das Ziel, irgendwann CSU-Chef zu werden, gab er wohl nie auf. Er wolle die Partei "in ihrem Mythos" und "ihrer Einmaligkeit" profilieren, sagte er gestern. Die Krise der CSU wird für Seehofer selbst zur großen Chance.
Auf einem Sonderparteitag am 25.Oktober in München wird Huber den Führungsstab dann an Seehofer übergeben. Einem Neuanfang der Partei unter dem Bundesagrarminister steht dann nichts mehr im Wege.