Die Hüter der Koalition

Schwarz-rot: Union und SPD schießen sich für den Wahlkampf warm. Doch Peer Steinbrück überrascht mit einer Liebeserklärung: Er will die Große Koalition auch nach 2009 fortsetzen.

Berlin. Als Kurt Beck sich vor kurzem darüber beschwerte, dass Angela Merkel seiner Partei auch noch die letzte Butter vom Brot kratze, stellte man sich unwillkürlich vor, wie sich die Kanzlerin mit der Butter davon machte, während die Sozialdemokraten enttäuscht auf ihr abgekratztes Brot starrten.

Umso überraschender wirkt es, dass Finanzminister Peer Steinbrück sich im Interview mit der "Bild"-Zeitung für eine Fortsetzung der Großen Koalition nach der nächsten Bundestagswahl ausgesprochen hat. Er zweifle daran, dass Deutschland schon reif für ein Experiment mit drei Parteien in der Regierung sei. "Die Große Koalition bietet gute Chancen, die wirtschaftliche und soziale Stabilität zu gewährleisten."

Seit dem Rückzug von Franz Müntefering, der gemeinsam mit der Kanzlerin die Stützpfeiler der Regierung bildete, hat sich das Gefüge verschoben. Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier richtet sich darauf ein, als möglicher Kanzlerkandidat ein mindestens distanziertes Verhältnis zu Merkel zu pflegen. Der Vorsitzende Beck muss außerhalb des Kabinetts die Brotbeobachtung übernehmen. Also kann auf ungefährer Augenhöhe nur dessen Stellvertreter Steinbrück mit Merkel die Koalition tragen.

Die Zusammenarbeit wird nicht nur dadurch erleichtert, dass beide von ihrem Naturell her gut miteinander auskommen, sondern auch durch ihr gemeinsames Projekt. Der ausgeglichene Haushalt 2011 soll die Leistungsbilanz des Finanzministers ebenso zieren wie die der Kanzlerin. Ob es um die Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer oder andere Entlastungen geht: Beide sagen nein.

Dass Steinbrück mit dem Blick auf die Sanierung des Etats das aus seiner Sicht bewährte Modell vorzieht, statt in Zukunft mit Grünen und FDP verhandeln zu sollen, erstaunt nicht. Erstaunt zeigten sich Sozialdemokraten eher darüber, dass der Parteivize sich so offen festgelegt hat.

Zwar schließt auch Beck eine weitere Große Koalition nicht ganz aus. Aber eine Diskussion will momentan kaum jemand führen in einer SPD, die in der schwarz-roten Regierungsphase auf historische Tiefstände gestürzt ist.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil interpretierte Steinbrück für die Öffentlichkeit womöglich anders als der sich selbst. "Die Große Koalition ist nicht unser Traumziel." Das sehe Steinbrück genauso wie er, sagte Heil. Er verwies auf die Schnittmengen mit den Grünen und auf die Option der Ampel mit der FDP (die Steinbrück für ein verfrühtes Experiment hält).

Steinbrück denkt gern unabhängig von seiner Partei, weshalb viele Bürger ihn nicht als Sozialdemokraten identifizieren, was seiner Popularität in Umfragen nicht schadet. Und er hat den Genossen bereits einiges zugemutet. Im letzten Sommer brüllte er ihnen förmlich ins Gewissen. Sie müssten endlich Selbstbewusstsein zeigen und dürften sich nicht benehmen wie Heulsusen.

Ziemlich viele Sozialdemokraten waren damals sauer, weshalb Steinbrück jetzt auf eine etwas moderatere Ausdrucksweise achtet. Zu den Überlebenschancen seiner Partei im Falle einer weiteren Großen Koalition formulierte er unter Verzicht auf alle Wörter, die mit Heulen zu tun haben: "Wenn gerade die SPD stärker zu dem stehen würde, was sie seit 1998 erreicht hat - auch in der Großen Koalition - dann würde sie davon profitieren. Das ist eine Frage der Haltung."