Die Behörde duldet keinen Widerspruch

Zwang zur sofortigen Klage beim Verwaltungsgericht: Zeitgewinn oder weniger Rechtsschutz?

Düsseldorf. "Ich kann nicht klagen." Das sagt man so - als Antwortfloskel auf ein "Wie geht’s?" Doch fragt der Bürger eine Behörde, wie er sich gegen deren Anordnung wehren kann, so bekommt er seit November 2007 zur Antwort: "Sie müssen klagen."

Die schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen hatte den Abbau des Widerspruchsverfahrens so begründet: Dieses habe die Befriedungs- und Selbstkontrollfunktion der Verwaltung nicht mehr erfüllt. In vielen Fällen sei es zu einer bloß formalisierten Durchlaufstation vor der Klageerhebung verkümmert. Die meisten Fälle seien ja auch im Widerspruchsverfahren nicht anders als im Erstbescheid entschieden worden.

Die durch das Widerspruchsverfahren eintretende Verzögerung verlängere nur die Zeit bis zu einer abschließenden Entscheidung des Streits zwischen Bürger und Behörde. Durch den Wegfall dieses Verfahrens würden Verwaltungsentscheidungen beschleunigt und Kosten erspart.

Außerdem, so das Versprechen, würden die Verwaltungen vor Erlass eines Bescheides ihr Augenmerk noch stärker auf die Beteiligung des Bürgers legen.

Diejenigen, die sich vergeblich gegen die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens gewehrt hatten, betonten: Dieses war für den Bürger ein einfaches und billiges Instrument zur Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen. Zusätzliche durch den Bürger beigebrachte Informationen gaben der Verwaltung die Chance, ihre Entscheidung zu korrigieren.

Oder andersherum: Durch ein intensives argumentatives Eingehen auf den Protest des Bürgers konnte die Verwaltung diesen im Widerspruchsbescheid davon überzeugen, dass er nicht im Recht war, eine Klage sich also nicht lohnte. Nun aber werde er direkt ans Gericht verwiesen. Und hole sich da entweder eine blutige Nase. Oder aber er wehrt sich erst gar nicht - auch nicht gegen eine fehlerhafte Verwaltungsentscheidung, weil er eine Schwellenangst vor dem Gang zu Gericht verspürt. Drohende Anwalts- und Gerichtskosten trügen zur Abschreckung bei.

Im übrigen werde die Arbeit nur von den Behörden auf die Gerichte verlagert. Erste Zahlen scheinen das zu bestätigen: Verdopplung der Verfahrensneuzugänge bei den Verwaltungsgerichten. Das lässt befürchten, dass auch die Verfahrensdauer steigen wird. Der Bürger muss schon jetzt bei den Verwaltungsgerichten durchschnittlich 13 Monate auf sein Urteil warten.