Rüttgers: Der strategische Vordenker der CDU

Parteitag: Jürgen Rüttgers wirbt offensiv um Genossen, denn die SPD sei keine Volkspartei mehr.

Dortmund. Ausgerechnet in der legendären "Herzkammer der Sozialdemokratie", in Dortmund, hat NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers die SPD als ernst zu nehmende Konkurrentin verabschiedet. "Die SPD ist keine Volkspartei mehr", rief er den rund 600 Delegierten beim CDU-Landesparteitag in der Westfalenhalle zu. Die einzig verbliebene Volkspartei sei die CDU, seine CDU, wie er eigentlich hätte anführen müssen.

Die politische Landkarte habe sich in Deutschland so stark wie noch nie in den vergangenen 60Jahren verändert. Opfer sei die SPD. Die habe schon unter Gerhard Schröder den Fehler begangen, Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik gegeneinander auszuspielen und werde nun von der Linkspartei zerrieben. "Ihr laufen die Mitglieder davon, ihr laufen die Wähler davon. Wir müssen uns um die Johannes-Rau-Wähler kümmern", forderte Rüttgers seine Basis auf, offensiv um heimatlose Genossen zu werben.

Überhaupt Johannes Rau: Für Rüttgers ist dieser das große Vorbild als Ministerpräsident und Landesvater-Figur. Der hätte sich niemals von Feinden Israels, und solche seien die Politiker der Linkspartei, zum Bundespräsidenten wählen lassen. "Das ist ein Armutszeugnis von Gesine Schwan", schrieb er der sozialdemokratischen Bundespräsidenten-Kandidatin ins Stammbuch.

Rüttgers nutzte den Parteitag, um sich noch einmal nachdrücklich als programmatischer und strategischer Vordenker der Union zu positionieren. "Wir haben Erfolg, weil unser Kurs klar ist: Wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit sind für uns zwei Seiten einer Medaille", wiederholte er sein Credo der vergangenen Jahre.

Das ist nicht nur gegen die SPD gezielt, sondern auch gegen die innerparteiliche Konkurrenz: "Schöne Grüße an Christian Wulff", sagte er gleich zu Beginn seiner einstündigen Rede - damit niemand vergaß, dass die Niedersachsen-CDU parallel dazu in Celle tagte. Wulff will mehr Wirtschaftsliberalismus, Rüttgers mehr Soziale Marktwirtschaft. Es ist ein Wettrennen - um Einfluss und den künftigen Kurs der Union. Da sieht sich Rüttgers klar vorne.

Dazu soll auch der Leitantrag der NRW-CDU beitragen. Der trägt den Titel "Gemeinsam für Nordrhein-Westfalen - die Chancen des demografischen Wandels nutzen" und ist in weiten Teilen genauso wolkig, wie der Titel vermuten lässt. Da wird in vielen Variationen ein schönes Bild vom Zusammenleben von Jung und Alt, von Opa und Enkel, von Grauköpfen und Kindern entworfen.

Aber es gibt auch ein paar politische Forderungen: die nach der Mindestrente nach 35 Berufsjahren und der Erhöhung des Schonvermögens zur Bekämpfung der Altersarmut. Das hat Rüttgers schon in Berlin programmatisch verankert und sich damit durchgesetzt - der selbst ernannte Arbeiterführer auch als Rentnerführer. In einer immer älter werdenden Gesellschaft kein schlechter Ansatz, um Wahlen zu gewinnen.

Auffällig: Rüttgers sagte nichts zu den Forderungen etwa aus der CSU, Steuern zu senken und die Pendlerpauschale wieder einzuführen. An sozialpolitischen Initiativen hat er dann Interesse, wenn sie von ihm stammen.

Die Partei feierte Rüttgers für seine Rede. Auch seine Kritiker haben erkannt: Sein Kurs hat zumindest in NRW großen Erfolg.