Verwaltungsgerichte: Klagewelle rollt auf Behörden zu

Widerspruchsverfahren: Seit einem halben Jahr gibt es keine zweite behördliche Überprüfung mehr. Verwaltungsgerichte bekommen das bereits zu spüren.

Düsseldorf. Durch das "Bürokratieabbaugesetz II" der schwarz-gelben NRW-Koalition ist dem Bürger in den meisten Fällen die Möglichkeit genommen worden, seinen Fall ein zweites Mal behördlich überprüfen zu lassen. Wer sich etwa gegen einen Bescheid zur Grund- steuer oder auch gegen die Heranziehung zu einem Straßenbaubeitrag wehren will, dem bleibt nur noch die Klage vor dem Verwaltungsgericht.

Was den Ämtern Arbeit ersparen soll, wird wie eine Welle über die Gerichte rollen - diese Warnung vieler Fachleute fand bei der Landtagsmehrheit kein Gehör. Doch eben das, so scheinen erste Zahlen zu beweisen, tritt nun ein. Verzeichneten die sieben NRW-Verwaltungsgerichte im ersten Quartal 2007 noch 4964 Neuzugänge an Hauptverfahren, so waren es im Vergleichszeitraum 2008 bereits 10256.

Allerdings hält Ralph Neubauer, Sprecher des Justizministeriums, die Zahlen nicht für belastbar. Noch gingen in die Statistik auch diejenigen Verfahren ein, die nach altem Recht, also nach Durchführung von Widerspruchsverfahren, durchgeführt würden. "Derzeit ist es zu früh, die Entwicklung seriös zu interpretieren", so Neubauer.

Gerd Kapteina, Sprecher des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, stellt "bisher keine dramatische Veränderung" fest. Was überrascht. Schließlich hat sich an seinem Gericht im ersten Quartal 2008 die Anzahl der neuen Hauptverfahren mit 2368 gegenüber dem Vergleichsquartal 2007 (1144) mehr als verdoppelt.

Und welche Erfahrungen machen die Städte? Bernd Hinz, Rechtsamtsleiter in Mönchengladbach, spürt eine leicht steigende Tendenz der Klagen von Bürgern. Auf die Frage, ob die Stadt denn nicht auf der anderen Seite durch den Wegfall der Widerspruchsverfahren entlastet werde, winkt Hinz ab: Der Abschluss der Verfahren sei "nur optisch schneller".

Denn wenn etwa ein Bürger gegen einen Grundsteuerbescheid klagt, weil dieser aufgrund eines Rechenfehlers falsch war, habe das Fachamt nur auf den ersten Blick nichts mehr mit der Sache zu tun. Denn klagt der Bürger, so werden nicht nur Anwälte und Richter eingeschaltet, sondern auf Seiten der Stadt auch das Rechtsamt. Und dieses müsse dann doch wieder das Fachamt zu Rate ziehen. "Das erhöht sowohl den Aufwand für die Bürger als auch für die Verwaltung", glaubt Hinz.