Die Studenten gehen auf die Barrikaden

Analyse: Mitten im Wahljahr wird für eine neue Bildungspolitik gestreikt. In 70 Städten gibt es Aktionen. Die Studenten fordern Änderungen des Bachelor- und Mastersystems sowie die Abschaffung der Studiengebühren.

Düsseldorf. Es könnte ein heißer Sommer werden an den deutschen Hochschulen. Mitten im Wahljahr begehren die Studenten auf, weil sie mit der Bildungspolitik nicht einverstanden sind. In mehr als 70 Universitätsstädten gibt es in dieser Woche Demonstrationen, Vorlesungsboykotts und Protestcamps.

Man wolle "Aufsehen erregen, politischen Druck aufbauen und bildungspolitische Forderungen durchsetzen", formulieren die Organisatoren des bundesweiten "Bildungsstreiks 2009" ihre Ziele. An Selbstbewusstsein fehlt es den mehr als 240 beteiligten Organisationen und gesellschaftlichen Gruppen nicht: Sie hoffen auf den Beginn einer neuen, großen Protestbewegung.

Nicht von ungefähr finden die Aktionen rund um den zehnten Jahrestag der Bologna-Erklärung statt. Am 19. Juni1999 hatten 29 europäische Bildungsminister im italienischen Bologna die Schaffung eines einheitlichen Hochschulraums bis 2010 beschlossen.

Doch die überhastete Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge macht die Studenten in Deutschland zu "Hamstern im Laufrad", wie selbst Professoren inzwischen bekennen. Es bleibt weder Zeit für die Vertiefung des Stoffes noch fürs Jobben. Dabei kommen viele ohne diese Finanzspritze nicht über die Runden - erst recht nicht seit Einführung der Studiengebühren.

Auch das ein Kritikpunkt: Die Gebühren (meist 500 Euro pro Semester) fließen nur selten in den Lehrbetrieb. Die Hörsäle sind weiter überfüllt, das Betreuungsverhältnis schlecht. "Und die von der Bundesregierung vorgesehene Schaffung von 275.000 neuen Studienplätzen fängt nicht mal die Doppeljahrgänge des Turbo-Abiturs auf", so die Streikenden. Sie wollen auch die Schüler ins Boot holen.

"Die Situation an den Schulen ist miserabel. Viel zu große Klassen, soziale Selektion und wachsender Leistungsdruck machen Schule zu einer verhassten Pflichtveranstaltung", heißt es. Die Forderung: Abschaffung des mehrgliedrigen Schulsystems und kleinere Klassen.

Solidarisch gibt sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). "Während über Nacht hunderte Milliarden Euro für die Rettung der Banken und der Autoindustrie bereit gestellt werden, tun sich Bund und Länder schwer, wenn es um dringend erforderliche Zukunftsinvestitionen in die Bildung geht", meint GEW-Chef Ulrich Thöne.

Von einer "Rufschädigung" spricht hingegen die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel. Der CDU-Bildungspolitiker Michael Kretschmer geht noch weiter. Er warnt vor gewaltsamen Schüler- und Studentenunruhen mit brennenden Barrikaden. Die Veranstaltung trage "den Geist der Destruktion in sich".