FDP-Parteitag: Liberale setzen auf Soziales

Leitantrag sieht Bürgergeld und Rente ab 60 vor. Polizisten protestieren.

Hamm. Die nordrhein-westfälische FDP tritt für einen neuen sozialpolitischen Kurs ein. Mit breiter Mehrheit billigten die Delegierten in Hamm ein Antragspaket, das unter anderem die Einführung eines Bürgergelds als finanzielle Grundsicherung sowie die Möglichkeit zur Rente mit 60 Jahren vorsieht. Dazu fordern die Liberalen eine Lockerung des Kündigungsschutzes nach dänischem und österreichischem Vorbild für kleine Betriebe.

Leistung und Fairness sollen miteinander verbunden werden

Mit ihrer seit Monaten vorbereiteten Neuorientierung will die NRW-FDP das als alte Bekenntnis zur Leistung mit der neuen Akzentuierung des sozialen Gewissens verbinden. "Wir wollen einen starken Sozialstaat, der in Fällen der Bedürftigkeit wirksam helfen kann. Deshalb heißt es für uns nach wie vor: Leistung muss sich wieder lohnen", sagte Landesparteichef Andreas Pinkwart. In diesen Kurs passe die Politik der schwarz-gelben Landesregierung, so der stellvertretende Ministerpräsident weiter. Die Investitionen in die Bildung und Betreuung der Kinder, der Abbau der Neuverschuldung sowie der Kampf gegen die Bürokratie seien Nachweis einer leistungsbezogenen sowie fairen Politik. Ein Gutteil der Landesbediensteten sieht das offenkundig anders. Vor der Veranstaltungshalle demonstrierten rund 500 Gewerkschafter der Polizei gegen die Einschränkung der Mitbestimmung. "Bei der FDP geben nur noch Marktradikale und Neoliberale den Ton an", sagte Frank Richter, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei. Für Gerhard Papke, Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag, war diese Kampfansage willkommen. "Auf welchem Planeten leben diese Gewerkschaften eigentlich? Wir werden dafür sorgen, dass sie wieder in die Erdatmosphäre eintreten", rief er kampfeslustig in den Saal. Die Proteste richten sich vor allem gegen den liberalen Innenminister Ingo Wolf, der auch parteiintern umstritten ist. "Wer einen von uns angreift, hat automatisch die ganze FDP am Hals", gab es von Papke für Wolf Rückendeckung.

Das Abwatschen der Grünen gehört zu den festen Ritualen

Zu den Ritualen bei der FDP gehört das Abwatschen der Grünen. Da lieferte dieses Mal Papke in seiner munteren Rede den originellsten Beitrag. Er verwies auf einen Grünen-Antrag, der ein Werbeverbot für Alkohol fordert, und zitierte aus der Internet-Seite der Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann. Dort schwärmt sie von italienischen Tropfen ("Buondonno aus La Piazza"). Papke sarkastisch: "So sind die Grünen: Wasser predigen, Wein saufen." Mehr Lacher konnte dieses Mal auch Bundesparteichef Guido Westerwelle, der sich sonst gerne mit den Grünen anlegt, nicht ernten. Der nannte die Arbeit der Düsseldorfer Regierung ein Vorbild für Berlin. Denn die Arbeit der Großen Koalition ist aus seiner Sicht mindestens verbesserungswürdig: "Wenn sich Schäuble mit seinen Plänen durchsetzt, hat George Orwell mit seinen Horrorvisionen 20 Jahre später Recht bekommen", sagte er mit Anspiel auf den Roman "1984". Erneut forderte er Steuersenkungen und stellte sich hinter Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU): "Glos hat Recht. Wir erwarten von der Kanzlerin, dass sie ihn nicht alleine lässt." Die Botschaft: Mit der FDP im Bund wäre das nicht passiert. Sozial und liberal
Kommentar von Frank Uferkamp
Das Begriffspaar sozial und liberal hat bei der FDP eine große Tradition. Doch sie hat mit der Neuorientierung der NRW-Liberalen nichts zu tun. Sie stehen in Treue fest an der Seite der CDU und Ministerpräsident Rüttgers. Das ist verständlich: In vielen Politikfeldern hat sich die FDP durchgesetzt, am deutlichsten bei der Gemeindeordnung - oft zum Leidwesen der CDU. Die aktuellen Thesen zur Sozialpolitik bedeuten keinen Kurswechsel. Sie sind kompatibel mit den Vorstellungen des Wirtschaftsflügels der Union. Die FDP kann sich solche Gedankenspiele leisten. Sie ist in NRW stark wie lange nicht.