Oberhausen Update: Die AfD in NRW - ein tief zerstrittener (Parteitags-)Auftritt

Oberhausen. Auf dem Parteitag der NRW-AfD in Oberhausen hat der Landesvorsitzende Marcus Pretzell, der auch Europaabgeordneter und Spitzenkandidat seiner Partei ist, erfolglos versucht, seinen Co-Vorsitzenden Martin Renner loszuwerden.

Auf dem Parteitag der NRW-AfD in Oberhausen hat der Landesvorsitzende Marcus Pretzell erfolglos versucht, seinen Co-Vorsitzenden Martin Renner (Mitte) loszuwerden.

Foto: Ina Fassbender

Eigentlich sollte es in Oberhausen vorrangig um das Wahlprogramm der AfD im Landtagswahlkampf gehen, dann aber wurde dem im Vorlauf dieses Parteitags nicht begründeten Antrag von zehn der elf Landesvorstände stattgegeben, über eine Abwahl Renners abzustimmen - und zwar noch vor der Progammdiskussion, die völlig in den Hintergrund geriet.

Das Ergebnis: Die notwendige Zweidrittel-Mehrheit für eine Abwahl Renners gelang nicht, nur 200 von 372 Stimmberechtigten stimmten für die Abwahl. "Ich hatte erwartet, dass es nicht für zwei Drittel reicht. Die Partei ist gespalten, und das in etwa im Bereich 50:50", sagte Renner, der eine Zusammenarbeit mit Pretzell auch nach den Vorkommnissen dieses Tages weiter für möglich hält. Es gehe jetzt darum, dass alle Strömungen aus der Partei auch im Vorstand repräsentiert würden - und weniger um eine kollegiale Zusammenarbeit. "Dafür stehe ich, das nehme ich für mich in Anspruch", sagte Renner.

Der Landesparteitag der AfD in Oberhausen.

Foto: Olaf Kupfer

Marcus Pretzell hingegen forderte Renner nach der Abstimmung gegenüber Journalisten indirekt zum Rücktritt auf: "Wenn ich nur noch 43 Prozent der Partei hinter mir hätte, wüsste ich, was ich zu tun hätte." Pretzell hatte am Morgen angekündigt, dass eine Fortsetzung des Wahlkampfs mit Renner nicht mehr möglich sei, wenn die Mitglieder die Fakten zu hören bekämen. Es ist anders gekommen. "Die Fakten haben offenbar nicht gereicht", sagte Renner grinsend. Bei dem Streit soll auch die schwelende Frage auf den Tisch gekommen sein, ob Pretzell seinen Wohnort mit "Bochum" falsch angebe. Zum Hintergrund: Jeder Kandidat auf der Landesliste muss dem Landeswahlleiter bis drei Monate vor der Wahl (also bis zum 14. Februar) seinen Hauptwohnsitz nennen, also jene Wohnung, in der er sich hauptsächlich aufhält. Pretzell sagte zu diesem Thema am Sonntag, das Einwohnermeldeamt Bochum habe zwei Mal eine Ortsbesichtigung durchgeführt und sei zu einer amtlichen Bestätigung seiner Angaben gekommen. "Mein Lebensmittelpunkt wird Bochum bleiben", sagte Pretzell.

Als die Vorwürfe gegen Renner am Sonntag in Oberhausen präsentiert wurden, war die Presse auf Antrag der Versammlung ausgewiesen. Pretzell hatte zuvor verkündet, es würde der Partei schaden, die Diskussion über die Person Renners, der als rechtskonservativ gilt und mit Pretzell tief verfeindet ist, öffentlich zu führen. Die Mitglieder folgten. Nach Berichten über Unregelmäßigkeiten und Absprachen im Vorstand bei der Aufstellung der Landesliste für die Landtagswahl vor einigen Wochen hatte Renner zeitweise eine Unterschriftenkampagne für eine Neuaufstellung unterstützt und sich offenbar den Zorn Pretzells und anderer Vorstandskollegen auf sich gezogen.

Gerüchte, nach denen der ehemalige Essener SPD-Politiker Guido Reil schon sehr bald eine Rolle im Parteivorstand der AfD in NRW spielen soll, bestätigte eine AfD-Sprecherin am Sonntag nicht. Reil sei noch nicht einmal Mitglied der AfD und käme deshalb für dieses Amt nicht infrage. Allerdings soll es in diversen Partei-Ortsverbänden des Ruhrgebiets derzeit Vorbereitungen geben, Reil künftig zu einem Protagonisten der AfD in Nordrhein-Westfalen zu machen. Derzeit ist Reil Direktkandidat der AfD im Wahlkreis Essen und belegt gegen den Willen des Parteivorstands den Listenplatz 26, zöge also für die AfD ins Landesparlament ein, wenn man aktuelle Umfragewerte bei der Wahl bestätigen kann (in NRW derzeit rund zehn Prozent). Reil kritisierte am Sonntag am Rande des Parteitags das derzeitige Erscheinungsbild der AfD in NRW. "Hier sollte es um ein Programm gehen, dass hier jetzt das Personal frontal aufeinander knallt, stört richtig viele Mitglieder, die an Inhalten interessiert sind. Die AfD kann nur erfolgreich sein, wenn der Streit aufhört."

Derweil hat dIe AfD NRW, die etwa derzeit 4500 Mitglieder zählt, bereits am Sonntag gegen die Mitglieder des Stadtrats Oberhausen Strafanzeige wegen Untreue gestellt. Der Stadtrat habe der Partei wider besseres Wissen im Vorfeld dieses Parteitags den Mietvertrag mit der Luise-Albertz-Halle streitig machen wollen. "Den Mitgliedern des für dieses Polit-Mobbing verantwortlichen Hauptausschusses war völlig klar, dass sie gegen geltendes Recht verstoßen und leichtfertig Steuergelder für Anwalts- und Gerichtskosten verschwenden", hieß es von Seiten der AfD. Das Landgericht Duisburg hatte die Rechtmäßigkeit des zwischen dem Hallenbetreiber und der AfD NRW geschlossenen Mietvertrags bestätigt und der "Luise-Albertz-Halle Tagungs- und Veranstaltungszentrum Oberhausen GmbH" die Verfahrenskosten auferlegt.

Zu Demonstrationen kam es derweil vor der Halle in Oberhausen. Mehrere hundert Demonstranten hatten sich zuvor am Hauptbahnhof in Oberhausen versammelt und waren dann vor die Halle marschiert. Gegen 15 Uhr allerdings löste sich die Demo auf.

Marcus Pretzell (Foto oben l.), Chef der AfD in NRW, versucht seinen Co-Vorsitzenden Martin Renner loszuwerden. Rechts: Pretzells Lebenspartnerin Frauke Petry, Bundesvorsitzende der AfD.

Foto: dpa/AfD/bsen (Archiv)

Und das Wahlprogramm? Es war seit Januar 2016 erarbeitet worden. Bereits im Juli hatte ein Parteitag darüber beraten. Ohne große Änderungen hakten es die Delegierten am Sonntag ab. Auch in NRW will die AfD weniger Zuwanderung und mehr Polizei. Rot-grüne Schulreformen will die Partei rückgängig machen: Das Gymnasium soll wieder neun Jahre dauern.

Die AfD in NRW ist gegen die gemeinsame Beschulung von behinderten und nichtbehinderten Kindern. Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen, sollen ein „Erziehungsgehalt“ bekommen. Hartz-4-Empfänger sollen zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden.

Und auch die Entwicklungschancen von Männern und Jungen will die AfD fördern: Weil es zu wenig Erzieher und Lehrer gebe, fehle eine „männliche Orientierung weitgehend“. In diesem Zusammenhang will die Partei auch die Gleichstellungsbeauftragten abschaffen. Denn die sorgten nur dafür, dass Männer und Jungen benachteiligt werden.