Vertrauen ist Barack Obamas Kapital

Was bleibt wenige Tage nach der hellen Begeisterung über den großen Sieg von Barack Obama? Kommt der Katzenjammer, der Kater nach der großen Feier? Kann er die Euphorie in konstruktive Politik über vier oder acht Jahre lang umsetzen und durchhalten?

Was bleibt wenige Tage nach der hellen Begeisterung über den großen Sieg von Barack Obama? Kommt der Katzenjammer, der Kater nach der großen Feier? Kann er die Euphorie in konstruktive Politik über vier oder acht Jahre lang umsetzen und durchhalten?

Es bleibt die nüchterne Einsicht, dass er zwei riesige Hürden geschafft hat: Erstens hat er die Nominierung in der demokratischen Partei gegen das Parteiestablishment und gegen eine mächtige Konkurrentin, Hillary Clinton, gewonnen. Zweitens hat er in der Präsidentschaftswahl gegen einen erfahrenen und angesehenen Politiker wie McCain gesiegt, der sich deutlich vom unbeliebten Präsidenten Bush distanzierte, sich aber durch eine überschlaue Taktik bei der Auswahl der Vizepräsidentschaftskandidatin selbst schadete.

Die dritte Hürde steht unmittelbar bevor: Die Auswahl der Regierungsmannschaft und des Regierungspersonals mit mehreren Tausend Personen, die nach amerikanischem Brauch nach der Wahl ausgewechselt werden. Und die Formulierung eines Regierungsprogramms für die ersten hundert Tage.

Danach erst muss er die vierte Hürde nehmen: den Regierungsalltag. Kann er all die riesigen Erwartungen befriedigen? Zunächst einmal national. Mit dem Kongress und gegen die mächtigen Interessengruppen in Washington, die jede Regierungsinitiative gnadenlos verwässern.

Auch wenn sich in seinem Windschatten die demokratische Mehrheit im Kongress verbreitert hat, bleiben amerikanische Abgeordnete immer mehr den Interessen ihres Wahlkreises verpflichtet als der Solidarität einer gemeinsamen Fraktion oder gar der Disziplin der Partei. Auch nach dem Erdrutschsieg von Obama bleibt der Kongress eine unbequeme Gegenmacht zum neuen Präsidenten. So will es das amerikanische Verfassungsprinzip von "checks and balances".

Und dann international. Schon in seiner Rede vor der Berliner Siegessäule hat er sich zur Kooperation, zur Zusammenarbeit, zum Multilateralismus bekannt. Wird er sich mit Uno, Nato, EU, Asean, den Gus-Staaten, China, Indien, Afrika, Lateinamerika, dem Nahen Osten verständigen? Keiner seiner Vorgänger - von welcher Partei auch immer - hat den Grundsatz "America first" ganz aufgegeben. Selbst Obama wird nicht mit diesem hehren Prinzip des US-Selbstverständnisses brechen.

Was für einen Präsidenten, was für eine Politikerpersönlichkeit wird er verkörpern? Lincoln, Roosevelt, Kennedy, Martin Luther King, Nelson Mandela: Das sind die Namen, an denen Obama gemessen, mit denen er verglichen wird. Ist das nicht eine Nummer zu groß? Erdrückt man ihn mit solchen Schwergewichten? Wem von den großen kommt er am nächsten? Ist er ein Idealist oder ein Realist? Ist er ein Charismatiker oder ein Pragmatiker? Dominiert das Pathos oder die Ratio?

Das Verblüffende ist: Obama hat von allem etwas. Er verkörpert die seltene Gabe, Charisma, Emotion und Pathos mit Nüchternheit, Realismus und analytischem Denken zu verknüpfen. Das ist seine Einmaligkeit. Das war die Basis für den historischen Wahlsieg.

Vertrauen ist sein Kapital, das er in seiner fulminanten Kampagne angesammelt hat. Damit hat er die Jugendlichen und die Minderheiten begeistert, in Scharen zur Wahlurne getrieben. Damit ist er in republikanisches Stammland eingebrochen. Vertrauen ist die Grundvoraussetzung für Erfolge in Politik, Wirtschaft und auch Kultur. Es ist ein zerbrechliches Gut. Am stärksten ist es bedroht vom Übermut des großen Erfolges. Hoffen wir, dass Obama sich bei seinem großen Mut immer ein Stück Demut bewahrt, die ihn vor Übermut schützt.