Rot-Rot-Debatte: Aktenzeichen Ypsilanti bleibt zum Entsetzen der SPD ungelöst
Die Anzeichen mehren sich, dass die hessische Parteichefin einen neuen Anlauf mit den Grünen und der Linken wagen wird.
Wiesbaden. SPD-Chef Kurt Beck war sich sicher: "Die hessische SPD läuft nicht zweimal mit dem gleichen Kopf gegen die gleiche Wand", hatte er mit Blick auf das Hessen-Debakel seiner Parteifreundin Andrea Ypsilanti gesagt.
Es klang wie ein Basta!, das in der Natur der Sache liegt, ohne dass der Parteivorsitzende erst autoritär werden muss. Doch nun sieht alles ganz anders aus: "Ich sehe in Hessen weder eine Wand noch eine Mauer, sondern ein breites, unbeackertes Feld, das beackert werden will", sagte Ypsilanti in einem Interview.
Es klingt wie eine Drohung: Offenbar will die hessische Landesvorsitzende einen neuen Anlauf wagen, mit Hilfe der Grünen und der Linkspartei den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) abzulösen - irgendwann im Herbst. Formal kann sie die SPD-Zentrale in Berlin nicht daran hindern. Im Februar hatte die SPD offiziell beschlossen, dass die Landesverbände freie Hand in Koalitionsfragen haben. Diese Verantwortung nehme sie "gerne wahr", gab Ypsilanti nun zu Protokoll.
Die Hessen-SPD wird zunehmend nervöser. Die geschäftsführende CDU-Landesregierung hat es sich bequem gemacht und wartet ab. Während sich der Landtag daran abarbeitet, ohne Regierungsapparat zu regieren - ein Ding der Unmöglichkeit, wie sich immer deutlicher zeigt -, "zieht Koch als Ministerpräsident segnend durchs Land, und wir stehen dumm da", zitiert der "Spiegel" Sozialdemokraten aus Wiesbaden. Der Plan, Koch vor sich herzutreiben, geht nicht auf.
Weil das auch die parteiinternen Kritiker Ypsilantis erkennen und unter der Situation leiden, drängen sie dazu, der Sache ein Ende zu bereiten. Der Plan sieht so aus: Am 13. August tagt der SPD-Landesvorstand, einen Monat später, am 13. September, der Landesparteitag. Beide Gremien könnten Ypsilanti den Auftrag erteilen, Koalitionsverhandlungen mit den Grünen aufzunehmen und zu sondieren, ob die Linkspartei eine rot-grüne Minderheitsregierung tolerieren würde.
Für eine Wahl würde Ypsilanti nach wie vor mindestens 56 der 57 Stimmen benötigen, die SPD, Grüne und Linke zusammen im Landtag auf die Waage bringen. Ein erster Anlauf dazu war am Widerstand der SPD-Abgeordneten Dagmar Metzger gescheitert, die sich im Gegensatz zu Ypsilanti an ihr Wahlversprechen gebunden fühlt, nicht mit der Linken zu kooperieren. Metzger zeigt sich beharrlich. Unklar war bislang, ob sich weitere Abgeordnete Metzger anschließen würden. In diesem Fall würde nichts aus dem Plan, Hessen seine erste Ministerpräsidentin zu bescheren. Alle Beteiligten wären bis auf die Knochen blamiert.
Allein die Ankündigung, dass Ypsilanti mit der Linkspartei gemeinsame Sache machen will, fürchten die bayerischen Genossen wie der Teufel das Weihwasser. SPD-Spitzenkandidat Franz Maget setzt alles daran, trotz schwieriger Ausgangslage bei der Landtagswahl am 28. September die geschwächte CSU mit einer ganz großen Koalition aus SPD, FDP, Grünen und Freien Wählern vom Sockel zu stoßen. Würden die Hessen zwei Wochen vorher auf ihrem Parteitag erneut eine Rot-Rot-Debatte anzetteln, könnte Maget seine Infostände und Luftballons gleich einpacken und dem CSU-Ministerpräsidenten Günther Beckstein zum sicheren Wahlsieg gratulieren.
Auch den Strategen im Willy-Brandt-Haus stehen die Schweißperlen auf der Stirn. In den kommenden Tagen, so will es die "Süddeutsche Zeitung" erfahren haben, trifft sich die gesamte Parteispitze mit Ypsilanti, um sie von ihrem Plan abzubringen. Beck und seine drei Stellvertreter, Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Andrea Nahles, sind sich angeblich einig. Ob sich Ypsilanti davon beeindrucken lässt, ist allerdings offen. Sie gilt in Berlin als ebenso stur wie unberechenbar.
Die Lage ist auch deshalb so prekär, weil die K-Frage inoffiziell zwar beantwortet ist, offiziell aber nicht. Für Steinmeier, der 2009 als Zählkandidat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) herausfordern soll, wäre ein rot-rotes Techtelmechtel in Wiesbaden eine Zumutung, die seinen Wahlkampf heftig torpedieren würde, bevor der überhaupt beginnt. Gelingt es der Parteispitze nicht, die Zeitbombe zu entschärfen, könnte Steinmeier im letzten Moment zurückziehen - und Beck müsste ran. Ein Desaster!