Türken protestieren gegen Frankreichs Völkermordgesetz

Ankara will die Regierung in Paris wegen der umstrittenen Richtlinie zum Genozid bestrafen.

Istanbul/Paris. Nach der Verabschiedung des Völkermordgesetzes in Paris müssen sich französische Regierungsvertreter und Manager bei Reisen in die Türkei warm anziehen. „Schande über Frankreich“ und „Teufel Sarkozy“ lauteten gestern Überschriften in türkischen Zeitungen. Die Hauptstadt Ankara will französische Straßennamen tilgen, der Staatssender TRT l seine Zusammenarbeit mit dem aus Lyon sendenden TV-Kanal Euronews aufkündigen. Eine französische Schule fürchtet türkischen Berichten zufolge einen Besuch von Steuerprüfern. Und die türkische Regierung droht, die Axt an gemeinsame Wirtschaftsprojekte mit Frankreich zu legen.

Es herrscht eine Art kalte Wut über das Vorgehen des französischen Präsidenten Nicolas Sakozy, dem Arroganz und Stimmenfang wenige Monate vor der Präsidentenwahl vorgeworfen werden.

Um eine drohende Wahlniederlage abzuwenden und die Stimmen von armenischstämmigen Wählern zu gewinnen, opfere Sarkozy die Freundschaft zur Türkei, sagte der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan. Seiner Meinung nach kocht der Franzose sein Süppchen auf Diskriminierung und Rassismus. „Dies ist ein Versuch, mit Feindseligkeit gegenüber der Türkei Stimmen zu gewinnen“, sagte Erdogan. Das Gesetz — das eine Leugnung des Völkermordes an den Armeniern kriminalisiert — sei ein „Massaker an der Meinungsfreiheit“.

Kein Parlament habe das Recht, eine Sicht auf die Geschichte juristisch festzuschreiben, erklärte das türkische Außenministerium.

Allerdings wären die Proteste der türkischen Regierung überzeugender, wenn sie auch im eigenen Land die Meinungsfreiheit stärken würde. Stattdessen werden noch immer Türken für „Meinungsverbrechen“ festgenommen.

Der aufbrausende Erdogan selbst springt mit Kritikern um, als begingen sie Majestätsbeleidigung. Immerhin wurde die jahrzehntelange Praxis türkischer Gerichte, die Behauptung eines Völkermordes an den Armeniern in der Türkei hart zu bestrafen, inzwischen von Erdogans Regierung eingeschränkt.