Verwüstete Hoffnungen
Die Anschläge auf zwei Hotels rauben Indonesiern die Illusion, den Extremismus besiegt zu haben.
Jakarta. Teppich-Fetzen hängen aus den riesigen Löchern in der zerstörten Fassade des Luxushotels Ritz Carlton in Jakarta. Gardinen wehen im Wind und abgerissene Rohre ragen aus der Wand. Es sind die stummen Zeichen der Explosion.
Neun Menschen kamen ums Leben, als im Ritz Carlton und dem Marriott nebenan Sprengsätze detonierten. Die Terroristen haben nicht nur die Fassade des Hotels zerstört, sondern auch das Gefühl der Sicherheit, das das Land sich mit einem rigorosem Kampf gegen die Extremisten und scharfen Kontrollen in vier Jahren mühsam erkämpft hat. Seit Oktober 2005 hatte es dort keine Anschläge mehr gegeben.
"Die Menschen sind entsetzt - warum musste so etwas passieren?", sagt Sonja Drexl-Trautmann (35), die in Jakarta die Rechtsabteilung der indonesisch-deutschen Industrie- und Handelskammer leitet. Sie wohnt direkt neben dem Marriott.
Was sich dort am Freitag abspielte, ist den Indonesiern aus leidvoller Erfahrung vertraut. 2002 explodierten auf Bali zwei Bomben und rissen 202 Menschen in den Tod. Ein Jahr später zündeten Terroristen vor dem jetzt wieder betroffenen Marriott-Hotel in Jakarta eine Autobombe - zwölf Tote.
Wiederum ein Jahr später zerfetzte ein Sprengsatz den Eingang der australischen Botschaft in Jakarta - neun Tote. 2005 der vorerst letzte Anschlag: wieder auf Bali, mit 23 Toten. Und die in Indonesien gegründete Terrororganisation Jemaah Islamiyah (JI) zeichnete verantwortlich. Die Regierung griff hart durch. Die Antiterroreinheit "Detachment 88" gilt heute als eine der erfolgreichsten der Welt. "Seit den Bali-Bomben hat Indonesien mehr Terroristen vor Gericht gestellt als jedes andere Land", schrieb der australische Asien-Forscher Greg Fealy. 400 JI-Mitglieder wurden festgenommen.
Drei Drahtzieher der Bali-Bomben wurden 2008 hingerichtet. "Aber so lange Noordin Mohamed Top auf freiem Fuß ist, muss mit Terror gerechnet werden", sagte der Indonesien-Experte der Nanyang-Universität in Singapur, Leonard Sebastien. Top ist Bombenbauer von JI und der meistgesuchte Terrorist Asiens.
"Die Terrorgefahr geht heute von kleinen Splittergruppen aus und von Einzeltätern, die nichts mehr zu verlieren haben", sagt Sydney Jones, Terrorismus-Expertin der Organisation für Konfliktlösung "International Crisis Group" in Jakarta. Innerhalb von JI gibt es rivalisierende Fraktionen, ergänzt der Analyst Noor Huda Ismail. "Ich habe mit JI-Mitgliedern gesprochen. Die meisten sind über die Anschläge nicht glücklich", sagte er.
Der radikale Prediger Abu Bakar Bashir gilt als ihr spiritueller Anführer. Im Zusammenhang mit den Bali-Anschlägen wurde er wegen Verschwörung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, doch wurde das Urteil später aufgehoben. Indonesien erlebte damals einen verheerenden Einbruch beim Tourismus.