„Viele Häftlinge wollen aus der rechten Szene aussteigen“

„Exit“-Gründer Wagner über rechte Netzwerke hinter Gittern.

Berlin. Rechte Netzwerke in deutschen Gefängnissen sind für den Gründer der Neonazi-Aussteigerorganisation „Exit“, Bernd Wagner, keine Überraschung. Einsitzende Rechtsextremisten würden laufend versuchen, sich zu organisieren, so Wagner im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung. Viele Häftlinge würden aber auch aus der Szene aussteigen wollen.

Herr Wagner, rechte Netzwerke in deutschen Gefängnissen — sind Sie überrascht?

Bernd Wagner: Nein. Mich überrascht der Sachverhalt nicht, dass es so etwas gibt. Mich überrascht eher die politische Reaktion darauf.

Wie meinen Sie das?

Wagner: Die Politik tut ahnungslos. Jeder gut informierte Innen- oder Justizminister muss eigentlich wissen, dass es solche Netzwerke in Gefängnissen gibt und einsitzende Rechtsextremisten auch permanent darum bemüht sind, sich zu organisieren. Außerdem gibt es Unterstützungssysteme, die außerhalb der Haftanstalten tätig sind und zugleich den Kontakt zwischen den Gefangenen und der rechten Szene halten. Mein Eindruck ist, dass die Politik jetzt versucht, aus der Not eine Tugend zu machen, um aus der Kritikfalle herauszukommen.

Verfestigt sich rechtes Gedankengut in der Haft?

Wagner: Eher ja. Dadurch, dass ideologisch und politisch in den Haftanstalten kaum interveniert wird, und auch die Beziehungsnetze nicht attackiert werden, verdichten sich oft die Haltungen von Rechtsextremisten. Das funktioniert in Freiheit manchmal gar nicht so gut wie im Gefängnis.

Was muss dagegen getan werden?

Wagner: Die Justiz und die Polizei müssen bestimmte Kontaktlinien zwischen Gefängnis und Außenwelt reduzieren oder sogar kappen. Vor allem dann, wenn Insassen mit verbotenem Material versorgt werden. Ein Weiteres ist wichtig: Im Knast muss sich vielmehr mit den rechtextremistischen Gefangenen beschäftigt werden. Das mag für einen Justizminister zunächst absurd klingen, weil der sofort auf seine Budgetlage schaut. Aber es ist der einzige Weg, um Gefangenen eine Ausstiegsorientierung zu geben. Das müssen nicht die Vollzugsbeamten leisten, sondern das kann man zum Beispiel mit Partnern wie unserer Organisation zielgerichtet machen.

Wie groß ist denn die Bereitschaft von inhaftierten Rechten, aussteigen zu wollen?

Wagner: Die ist hoch. Es gibt viele Häftlinge, die aus der rechten Szene aussteigen möchten. Das wissen wir durch Kontakte in die Gefängnisse hinein. Wir haben schon Ausstiege erlebt und begleitet, und das nicht zu wenige.