Rechtes Netzwerk: Wie Behörden sich verdächtig machen

Deutsche Neonazis organisieren sich hinter Gittern

Dass Häftlinge nicht nur regen Kontakt untereinander halten, sondern häufig auch ausgedehnt mit der Außenwelt kommunizieren, gehört nicht gerade zu den großen Geheimnissen des Strafvollzugs. Schon vor und während der Prozesse gegen die Mitglieder der Roten Armee Fraktion in den 70er Jahren gehörten beispielsweise chiffrierte und aus den Zellen geschmuggelte Kassiber zum Gefängnisalltag wie der nächtliche Einschluss der Gefangenen. Dass die Verteidigung der Terroristen sich dabei als Postboten einspannen ließ, ist längst Thema in den Geschichtsbüchern.

Wer den Austausch unter strafgefangenen Neonazis, der jetzt bekannt geworden ist, möglich macht, wie dieser im Detail organisiert ist und was Inhalt der Botschaften war, wird in den nächsten Tagen zu klären sein. Klar ist nach der ersten Analyse eines: Wer geglaubt hat, dass mit dem Auffliegen der Zwickauer Mörderbande und ihrer Helfershelfer der braune Spuk beendet sei, liegt gewaltig daneben.

Das Gegenteil ist der Fall: Deutschland hat ein Problem mit Neonazis. Und ja, in Deutschland gibt es organisierten Rechtsterrorismus — dem offenkundig mit Haftstrafen und Geheimdienstarbeit nicht beizukommen ist.

Deshalb dürften in den kommenden Tagen wieder einmal die Ermittler des Verfassungsschutzes in den Fokus geraten. Wenn sich inhaftierte Neonazis über Zeitschriftenannoncen austauschen, sich zu organisieren versuchen oder Kontakt zu Szenegrößen wie Beate Zschäpe oder Ralf Wohlleben herstellen wollen, dann ist das eine Sache, die man im Bundesamt für Verfassungsschutz oder den Landesämtern durchaus hätte mitbekommen können. Kontakte zur rechten Szene gab und gibt es mit einiger Sicherheit immer noch reichlich.

Selbstverständlich haben auch Strafgefangene Rechte und — auch wenn es paradox klingen mag — gewisse Freiheiten. Totale Zensur und hundertprozentige Überwachung sind gewiss die falsche Reaktion auf das vorhandene oder entstehende Neonazi-Netzwerk hinter Gittern. Helfen würde es allerdings, bei einschlägigen Gefangenen sehr viel genauer hinzuschauen. Ansonsten geraten die Justizbehörden wie zuvor schon Geheimdienste und Polizei in einen schlimmen Verdacht: Wollen sie es vielleicht gar nicht so genau wissen?