Westerwelle legt sich mit der Kanzlerin an

Heftiger Schlagabtausch in der Koalitionsspitze: Die Atomdebatte spaltet Schwarz-Gelb.

Berlin. Krach in der Koalitionsrunde: Die wochenlangen Sticheleien in der Koalition und der große Ärger der FDP über Teile der Union haben die Koalitionsspitze erreicht. Bei einem Treffen am Dienstag mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gab es einen heftigen Schlagabtausch um die Atompolitik der Regierung.

Vize-Kanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle stellte die Unionsseite zur Rede, da mehrere Unionspolitiker den Vorstoß von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) begrüßt hatten, die Atomkraft rasch durch Öko-Energien zu ersetzen.

Westerwelle kritisierte Röttgens Vorstoß: "Wir haben keinen früheren Ausstieg vereinbart", wurde der FDP-Vorsitzende zitiert. Westerwelle erhielt dafür ausdrücklich auch von CSU-Vertretern in der Koalitionsrunde Beifall. Angela Merkel konterte mit harschen Worten und verteidigte Röttgen.

Der Umweltminister sagte, er habe nur darauf hingewiesen, dass die Kernkraftwerke auf 40 Jahre ausgelegt seien, sagte er vor einer Sitzung der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion. "Ich habe im Kern die Position vorgetragen, die im Koalitionsvertrag genauso steht, regenerative Energien aufzubauen und umzustellen auf regenerative Energieerzeugung."

Die FDP-Vertreter attackierten auch den CDU-Vize und nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers wegen dessen Distanzierung von der vereinbarten Steuerreform. Auch dies sei nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt. Westerwelle und die anderen Vertreter der FDP kritisierten zudem Distanzierungen der CSU vom Koalitionskurs.

Die Kanzlerin ging in der Sitzung der CDU/ CSU-Fraktion nach Teilnehmerangaben auch auf Kritik der Liberalen ein. In einem Gespräch mit Mitarbeitern soll sie die schwäbisch sprechende FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger nachgeahmt haben. Ihr kurzer Auftritt soll mit Lachen aufgenommen worden sein. Wegen des Umfragetiefs will die FDP das Tempo bei vereinbarten Beschlüssen wie zur Steuerreform erhöhen.

Die CSU zeigte sich nach der Aussprache bei Merkel betont koalitionstreu. "Wir sitzen gemeinsam in einem Boot, wir haben gemeinsame Interessen. Das muss jeder begreifen", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Nach gut 100 Tagen schwarz-gelber Regierung, "jetzt, wo der Ernst des Lebens beginnt", müsse die Koalition gemeinsam daran arbeiten, "das christlich-liberale Projekt der Bevölkerung zu erklären und es gemeinsam umzusetzen".