Mit Uni-Abschluss zur Arbeitsagentur

Berlin (dpa) - Statistisch gesehen haben Akademiker auf dem Arbeitsmarkt so gute Chancen wie lange nicht mehr. Doch die Zahlen trügen zum Teil. Viele Absolventen landen im falschen Job - aus Angst, am Ende ganz ohne Stelle dazustehen.

Als sie ihren Uni-Abschluss in der Tasche hatte, war sich Katharina Neureuter sicher, schnell auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Voraussetzungen erfüllte sie: BWL-Abschluss mit Note 1,7, Berufserfahrung, drei Fremdsprachen und mehrmonatige Auslandsaufenthalte. Mit Softwarekursen hatte Neureuter ihrem Lebenslauf weitere Pluspunkte hinzugefügt. Doch rund 90 Bewerbungen und ebenso viele Absagen später holte sie die Realität ein. Die 27-Jährige aus der Nähe von Heidelberg stand kurz davor, Hartz IV zu beantragen.

Bachelor, Master und Doktortitel gelten in Deutschland eigentlich als Freifahrtschein ins Berufsleben. Mit einer Arbeitslosenquote von 2,4 Prozent habe bei Hochschulabsolventen im Jahr 2011 nahezu Vollbeschäftigung geherrscht, rechnet das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einem Bericht vor.

Doch die Statistik trügt zum Teil: Unbezahlte Praktika, Minijobs und einkommensschwache Zeiten während der Selbstständigkeit fallen nicht unter Arbeitslosigkeit - und auch nicht die vielen Akademiker, die notgedrungen Stellen besetzen, die nicht ihren Anforderungen entsprechen.

„Ich habe schon überlegt, als Nachhilfe-Lehrerin zu arbeiten oder einfach Hausfrau und Mutter zu sein“, sagt Neureuter. Schließlich bewarb sie sich als Sekretärin - und erhielt prompt den Anruf eines Personalchefs, der irritiert fragte, ob sie die Stellenanzeige auch richtig verstanden habe. Sie sei doch überqualifiziert.

Fachlichen Bezug zum Studium, angemessene Aufgaben und ein Umfeld, das den persönlichen Vorstellungen entspreche - das erwarteten viele Absolventen von ihrem ersten Job, sagt Gregor Fabian, der für das Hochschul-Informations-System (HIS) in Hannover den Berufsstart von Akademikern untersucht. „Wenn man nach diesen Vorgaben geht, ist etwa jeder Fünfte atypisch beschäftigt“, erläutert der Wissenschaftler. Besonders Geisteswissenschaftler täten sich schwer. Als „länger und holpriger“ beschreibt Fabian ihre Suche nach einer passenden Stelle im Vergleich zu Absolventen technischer oder naturwissenschaftlicher Fächer.

„Zwitter zwischen unbezahlten Praktika und Ersteinstellung“ nennt ein Absolvent der Politikwissenschaft die Stellen, die etliche Berufseinsteiger annehmen - und mit dem druckfrischen Vertrag in der Tasche trotzdem ohne wirklich passenden Job dastehen. „Ich kann alles und nichts machen mit meinem Abschluss“, sagt der 28-Jährige aus Berlin, der seinen Namen nicht nennen möchte. In einer 2011 veröffentlichten HIS-Studie heißt es, das verheißungsvoll breite Einsatzfeld werde für Pädagogen, Geistes- und Sozialwissenschaftler immer wieder zum Verhängnis, oft auch langfristig.

Höhere Bildung bleibt den HIS-Forschern zufolge der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit - aber nicht jeder Abschluss bringt die erhoffte Jobgarantie. Ingenieure bekämen fast den roten Teppich ausgerollt, sagt Ingrid Arbeitlang, die bei der Berliner Arbeitsagentur Akademiker berät. Geisteswissenschaftler hingegen müssten oft mit sechs bis zwölf Monaten „Sucharbeitslosigkeit“ rechnen, sagt die Beraterin.

Später gelinge der Einstieg zwar in den meisten Fällen, aber nicht jeder sei auf so lange Durststrecken eingestellt. BWL-Absolventin Katharina Neureuter ist inzwischen bei einem Wirtschaftsprüfer untergekommen. Als Sekretärin.