Gläserner Mensch dank Netz

Die Plattform spock.com bündelt sämtliche User-Informationen, die im Netz verfügbar sind. Vor allem Versicherungen interessieren sich für die sensiblen Daten.

<strong>Düsseldorf. Bill ist 32, wohnt in Cleveland, schraubt gern an Autos, spielt Gitarre und mag Pornos. Neben diesen Informationen findet sich auch ein Foto von Bill, irgendwo am Strand. "Fakten" und Foto finden sich auf einer kalifornischen Internet-Suchmaschine mit dem Namen www.spock.com. Bill hat sie gewiss dort nicht eingegeben, der Betreiber der Seite hat sie von irgendeiner Stelle des weltweiten Netzes heruntergeladen. Vielleicht von Bills privater Homepage, vielleicht aus irgendwelchen Internet-Tagebüchern.

Infos über alle Erdenbürger - jederzeit und für jeden abrufbar

Denn das ist das Neue an der Leute-Suchmaschine: Sie will Informationen über möglichst viele Erdenbürger sammeln, bündeln - jederzeit für jeden von jedem Ort der Welt abrufbar. Schon jetzt sollen es 100 Millionen Einträge sein, zumeist aus dem englischsprachigen Raum. Und unter den persönlichen Profilen jedes Einzelnen ist nicht nur das zu finden, was man selbst über sich im Netz offenbart hat, sondern auch das, was andere dazugeschrieben haben - ob es nun stimmt oder nicht. Der Name Spock bezieht sich übrigens nicht auf das Spitzohr des Raumschiffs Enterprise, sondern ist ein Akronym für "Single Point of Contact and Knowledge". Was für manch einen neugierigen Zeitgenossen wie ein großer Spaß klingen mag, hat bei genauerem Hinsehen dramatische Konsequenzen. Andreas Pfitzmann, Datenschützer an der Technischen Universität Dresden, zeigte in der WDR-Sendung Leonardo die Nutzerinteressen jenseits der bloßen Neugier auf. Nicht nur Freund oder Feind könnten an den Informationen interessiert sein. Vielmehr sind sie auch Versicherungen zugänglich, die überlegen, zu welchem Preis der jeweilige Antragsteller versichert werden soll. Selbst für potenzielle Arbeitgeber könne es eine Rolle spielen, sich über den Bewerber mit ein paar Mausklicks näher zu unterrichten.

Vor diesem Hintergrund gewinnen Fotos oder Filmchen über höchst Privates, die man irgendwann mal ins Netz gestellt hat, eine besondere, bisweilen sogar pikante Bedeutung. Informatiker Pfitzmann warnt vor dieser Selbstbespiegelung: "Wenn sich die Meinung oder der Geschmack oder die Umstände ändern, dann lässt sich das nicht mehr korrigieren." Eine einzelne Kopie könne geändert, gelöscht werden. Aber nicht das, was andere kopiert und gespeichert haben und vielleicht später erneut ins Netz stellen. "Es ist wie eine Tätowierung, man wird es nicht mehr los", veranschaulicht Pfitzmann.

Auch der Kaiserslauterner Informatikprofessor Hendrik Speck warnt vor allem junge Internetnutzer vor digitalem Exhibitionismus, wie er in Communities wie MySpace oder StudiVZ an der Tagesordnung ist. In letzterem Portal etwa, einem riesigen Studentenverzeichnis, gebe manch ein Studierender nicht nur Handynummer, Beziehungsstatus und politische Neigung an; häufig seien auf öffentlich zugänglichen Seiten auch Fotos von Besäufnissen zu sehen. Nicht jeder Personalchef wisse eine solche Trinkfreudigkeit zu schätzen.

Tauchen all diese Informationen dann auch noch leicht abrufbar auf einer Personensuchmaschine auf und werden sie mit weiteren Informationen aus anderen Quellen ergänzt, so erwächst daraus ein beängstigendes Persönlichkeitsprofil. "spock.com"-Mitbegründer Jaideep Singh hingegen zuckt mit den Achseln. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" sagte er kürzlich: "Jeder muss sich klar machen, wie viel über ihn bereits im Internet steht. Wir bündeln diese Informationen nur."

Datenschützer raten nicht nur angesichts der neuen Qualität von spock.com vor allzu unbekümmerter Selbstinszenierung und Freizügigkeit im Umgang mit persönlichen Daten im Internet. Jeder sollte genau überlegen, was er im Netz von sich preisgibt. Denn es bleibt für immer. Wie eine Tätowierung.

Datenschutz spock.com ist nach deutschem Datenschutzrecht unzulässig. Davon ist Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Datenschutzzentrums Schleswig Holstein, überzeugt. Weichert glaubt, dass spock.com zu einem Konflikt zwischen US-Datenschutz und deutschen Aufsichtsbehörden führen könnte.

Gegenwehr Nur was macht man, wenn persönliche Daten bei spock.com auftauchen? Die Handhabe gegen die Zurschaustellung des Einzelnen in der weltweiten Digitalität scheint relativ gering. Weichert sieht immerhin die Möglichkeit, mit Bußgeldern gegen eventuelle Niederlassungen von spock.com auf deutschem Boden vorzugehen. Doch wenn die Plattform ausschließlich von Übersee aus betrieben wird, dürfte dies ein stumpfes Schwert bleiben.