Die Illusion vom sauberen Kraftstoff

Palmöl erlebt als Bioprodukt einen weltweiten Boom. Da vor dem Anbau der Ölpalmen oft der Regenwald zerstört wird, ist die Klimabilanz allerdings verheerend.

Düsseldorf. Sulur ist 50, zart gebaut, aber stark wie ein Bär. Zielsicher lässt der Indonesier seine Hacke in die Ölpalme sausen. Zwei, drei, vier Mal, dann fällt das Bündel mit den kleinen, schwarz-orange-farbenen Früchten zu Boden. Er spießt es auf - rund zehn Kilogramm - und trägt es 50 Meter zur nahen Straße. Dort sammelt ein Lastwagen die Bündel ein und fährt sie direkt zur Mühle.

Sulur, der wie viele Indonesier nur einen Namen hat, wischt sich den Schweiß ab und nimmt die nächste Ölpalme in Augenschein. Das war Nummer 88. 100 Stück muss er am Tag schaffen, das ist sein Soll. Sulur schafft eigentlich immer mehr, auch schon mal 120 am Tag. Das bringt Extrageld.

Und weil das Palmölgeschäft boomt und die Ölmühlen hier in Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos, auf Hochtouren laufen, sind alle Sonderleistungen der Arbeiter willkommen. Je mehr rangeschafft wird, desto besser.

Der Schmierstoff wird schon lange in allen möglichen Konsumgütern verwendet - Margarine, Backwaren, Süßigkeiten, Seife, Waschmittel, Kosmetika. "Pflanzliche Öle" steht auf dem Packungsinhalt, bei Waschmitteln "Cetyl Palmitate". Aber seit Europa und Amerika Bio-Treibstoffe als Alternative zum schmutzigen Öl und Palmöl als vielversprechendes und billiges Bioprodukt entdeckt haben, läuft das Geschäft erst recht auf Hochtouren - mit verheerenden Folgen für die Umwelt.

Die Plantage, auf der Sulur arbeitet, gehört der Firma Bisma Dharma Kencana. Das Unternehmen gehört einem engen Vertrauten des 1998 gestürzten Diktators Suharto. Manager Ramadan Pane wohnt mittendrin, aus gutem Grund: Das Gelände ist so groß, und die Lehmwege sind so matschig und löchrig, dass es mit dem Auto fast zwei Stunden bis zur nächsten Straße dauert.

Die Plantage wurde 1998 angelegt. 14 425 Hektar gehören dazu, weniger als die Hälfte ist bislang bepflanzt. "Jeder Baum bringt ein Fruchtbündel pro Woche, das ganze Jahr über", sagt Pane. Er will jetzt ausbauen und zeigt stolz die 200 000 Setzlinge, die in Blumentöpfen gezogen werden. "Das Geschäft läuft bestens", sagt er. Die Palmölmühle ist gleich nebenan.

Die Anlage läuft fast automatisch. Die Fruchtbündel werden zunächst mit Dampf erhitzt, das löst die Früchte heraus. Daraus wird dann das Öl gepresst. Übrig bleibt der Kern, aus dem erneut Öl gewonnen werden kann. "Die Schale verbrennen wir hier, um Strom für die Mühle zu gewinnen", berichtet Manager Pane. Das Öl wird zum Hafen Surabaya verschifft und dort von Händlern gekauft. Wohin die Ware geht, weiß er nicht. Vieles dürfte in Deutschland landen.

Pflanzliche Öle und Fette lagen in der jüngsten indonesischen Ausfuhrstatistik nach Deutschland hinter Bekleidung an zweiter Stelle. Deutschland ist der fünftgrößte Palmölimporteur weltweit - 800 000 Tonnen im Jahr, doppelt so viel wie im Jahr 2000.

Mit Palmöl werden in Deutschland schon Blockkraftwerke betrieben, die nach Berechnungen des Leipziger Instituts für Energetik und Umwelt in einem Jahr 1,3 Milliarden Kilowattstunden Strom produzieren. Und die EU will den Anteil von Biokraftstoff bis 2020 von einem auf zehn Prozent erhöhen.

Indonesien, das zusammen mit Malaysia 80 Prozent der weltweiten Palmölproduktion liefert, will ordentlich verdienen am neuen Boom. Da die Pflanzen so ertragreich sind, gelten die Plantagen als Goldgruben. Für 100 Hektar sind auch nur 75 Arbeiter nötig.

"Auf Sumatra ist der meiste Wald schon abgeholzt, und alle Flächen sind mit Plantagen zugepflastert", sagt der WWF-Palmölexperte Purwo Susanto. Er weiß, wovon er spricht. Er wuchs selbst in Sumatra auf einer Plantage auf, auf der sein Vater arbeitete. "Jetzt richtet sich das Augenmerk auf Kalimantan."

Die Pläne sind gigantisch: 5,4 Millionen Hektar waren 2004 in Indonesien mit Ölpalmen bepflanzt. Bis 2008 sollen es laut Regierungsbeschluss 8,4 Millionen Hektar sein, das meiste davon in Kalimantan. In drei, vier Jahren, fürchtet die Weltbank, könnte der Tieflandregenwald verschwunden sein.

Auf Satellitenaufnahmen sieht die Landschaft schon jetzt aus wie ein Flickenteppich - kleine Waldstücke stehen wie einsame Inseln in teils riesigen Öden. Wissenschaftler wie Florian Siegert von der Uni München haben nachgewiesen, dass durch die Brandrodung des Geländes mehr CO2 freigesetzt wird, als sich durch den Verbrauch von Palmöl-Treibstoff einsparen lässt.

Ertrag Was die Ölpalme so lukrativ macht, ist ihr hoher Ertrag. Auf einem Hektar Anbaufläche lassen sich pro Jahr vier bis sechs Tonnen Palmöl erzeugen. Raps liefert lediglich 2,5 Tonnen pro Jahr und Hektar.

Umstieg Da Palmöl billiger als heimisches Rapsöl ist, wird Palmöl bei uns immer häufiger als Biodiesel für Autos und als Brennstoff für Blockheizkraftwerke eingesetzt. Wenn zur Palmöl-Produktion zunächst Regenwald abgebrannt und dadurch Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wird, ergibt sich eine "desaströse Klimabilanz", so Prof. Florian Siegert von der Uni München.