HDR - die Dunkelkammer im PC
Mit der Digitalkamera lassen sich Bilder mit großem Kontrastumfang machen – wir sagen, wie es funktioniert!
<strong>Düsseldorf. Das Dilemma ist so alt wie die Fotografie und lässt sich am besten am Beispiel einer Kathedrale erklären: Ich stehe in dem riesigen Kirchenschiff und will den erhabenen Eindruck mit der Kamera festhalten. Die Sonne drängt sich gleißend durch die hohen Fenster, erhellt aber nur Teile des gewaltigen Baus. Was die Sonne nicht schafft, gelingt dem Blitzlicht der Kamera erst recht nicht. Also: Kamera aufs Stativ und dem natürlichen Licht durch eine längere Belichtungszeit eine Chance geben. Der Erfolg: Sind die Bereiche um die Fenster richtig belichtet, ist der Rest zu dunkel - oder umgekehrt.
Tricksen wie einst in der Dunkelkammer
Puristen leben mit diesem Dilemma, setzen die Überstrahlung bewusst ein. Doch schon zu Zeiten des guten alten Films (Kontrastverhältnis 10 000 : 1) haben wir versucht, das Bild zu manipulieren. In der Dunkelkammer wurde mit Papiergradationen getrickst, abgewedelt (dunkle Partien heller) oder nachbelichtet (helle Partien dunkler) - mit mehr oder weniger zufriedenstellenden Ergebnissen. Auch in der Digitalfotografie hat man die Möglichkeit, Aufnahmen im Nachhinein zu bearbeitet, beispielsweise mit der Bildbearbeitungssoftware Photoshop die Gradationskurven oder den Tonwertumfang zu verändern. Aber auch hier stößt man an die Grenzen des Ausgangsmaterials, der digitalen Bildinformation (Kontrastverhältnis 1000 : 1).Die Kamera aufs Stativ und mindestens drei Fotos
Das Zauberwort heißt HDR (High Dynamic Range, was auf deutsch ungefähr "hoher Kontrast-Bereich" bedeutet). Bei diesem Verfahren wird am Computer ein Bild mit einem bombastischen Kontrastumfang erzeugt. Und das geht so:
Bleiben wir in der Kathedrale. Die Kamera ist auf ein Stativ montiert (ein Muss bei HDR-Aufnahmen). Jetzt werden gleich drei Fotos geschossen (mindestens drei, mehr sind möglich): ein unterbelichtetes, ein normal belichtetes und ein überbelichtetes Bild, wobei die Reihenfolge egal ist. Viele Digitalkameras (Kompakt und Spiegelreflex) bieten von Hause aus schon die Möglichkeit von automatischen Belichtungsreihen.
Um später die Gefahr des Bildrauschens (Störungen im Bild) gering zu halten, sollte mit einem kleinen Iso-Wert fotografiert werden (entspricht der guten alten Filmempfindlichkeit, also höhere Empfindlichkeit gleich gröberes Korn). Wenn die Kamera es erlaubt, können die Fotos gleich im so genannten RAW-Format auf dem Chip gespeichert werden. Dabei wird die reine Bildinformation gesichert, die über das Objektiv auf den Sensor gelangt ist: ohne Weißabgleich, ohne Kompression.
Der zweite Schritt zum HDR-Bild wird am Computer gemacht. Dazu ist eine Software nötig, die aus den drei oder mehr Bildern (unter-, normal- und überbelichtet) ein Foto mit hohem Kontrastumfang produziert. Derzeit der Rolls Royce unter den Programmen ist "Photomatix Pro", das sowohl als eigenständiges Programm als auch als Photoshop-Plug-In (ab Version CS2) genutzt werden kann.
Da die wenigsten Fotoamateure das teure Photoshop auf ihrem Rechner haben, sondern mit einer preiswerteren Bildsoftware auskommen müssen, halten wir uns hier an das eigenständige Photomatix-Programm. Das Programm errechnet aus den Fotos ein 32-Bit HDR-Bild, das jedoch einen so großen Kontrastumfang hat, dass der Computerbildschirm ihn nicht darstellen und der Drucker nicht abbilden kann.
Also muss das HDR-Foto wieder "gebrauchsfähig" gemacht werden. Hier kommt das so genannte Tone Mapping ins Spiel, das den Dynamik-Umfang der drei Fotos in einem einzigen Bild darstellt. Genau an diesem Punkt liegen Kitsch und Kunst sehr eng beieinander. Denn mit dem Tone Mapping ist man in der Lage, die Details der Zeichnung in den Schatten und Lichtern zu beeinflussen. Aber auch die Farbintensität ist einstellbar. Sehr schnell wird so aus dem roten Läufer in der Basilika ein bonbon-rosa Lappen, der die Wirkung des gesamten Bildes zerstört.
Wer HDR sinnvoll einsetzten will, sollte viel Zeit einkalkulieren. Schon die Aufnahme will gut geplant sein. Ohne Stativ läuft nichts, denn die Bilder müssen weitgehend deckungsgleich sein. Bewegte Motive eignen sich nicht. Wenn die Bilder erst einmal im Kasten sind, beginnt die Arbeit am Computer. Beim Tone Mapping hilft wirklich nur ausprobieren, im Zweifelsfall bringt der Schalter "Standard" noch die besten Ergebnisse.
"Photomatix Pro" ist allerdings auch bei ganz einfachen Aufnahmen ein kleiner Zauberkünstler: Aus einem Sportbild zum Beispiel (nur eine Belichtung, nicht drei), das zu wenig Zeichnung in den Schatten und Lichtern hat, lässt sich mit einem Trick etwas machen: Nicht mit der Kamera, sondern mit einem Bildbearbeitungsprogramm werden aus dem Normal-Bild zusätzlich über die Gradationskurve ein über- und ein unterbelichtetes Foto erzeugt und abgespeichert. Aus diesen drei Aufnahmen entsteht dann wieder ein HDR-Bild - oft mit verblüffenden Ergebnissen.
Das Photomatix-Programm kommt übrigens mit einem sehr guten Handbuch. Auf der Internet-Seite empfiehlt sich die FAQ-Sektion, die auf jede noch so spezielle Frage eine passende Antwort bereithält.