Auf die sanfte Tour - Abenteuerurlauber werden bequemer
Killarney (dpa/tmn) - Zwei Wochen ohne Dusche durch die Wildnis? Nein, danke! Extremsportler und Abenteurer werden anspruchsvoller. Sie wünschen sich mehr Komfort und kürzere Programme. Die Branche freut das.
Denn vor allem wohlhabende Senioren treten auf die Bremse.
Morgens eine Stunde im Kajak paddeln, danach im Minibus zur Burgruine, Mittagessen im urigen Pub, dann ein bisschen Wandern und abends im Sternehotel dinieren: So sehen Abenteuerreisen heute aus. Oder zumindest das, was in den Katalogen der Anbieter mitunter als „Expedition“ angepriesen wird.
Abenteuerreisen werden softer - das ist einer der großen Trends, der auf dem Adventure Travel World Summit (ATWS) (6. bis zum 9. Oktober) im irischen Städtchen Killarney zu beobachten war. Das liegt zum einen an den Babyboomern. 10 000 von ihnen gingen in den USA derzeit jeden Tag in Rente, erklärt Richard J. Weiss, der Tourismusunternehmen berät und bei jedem Summit dabei ist.
„Das ist die gesündeste und reichste Rentnergeneration, die es je gab“, sagt Weiss. Viele seien erfahrene Wanderer, Mountainbiker oder Kajakfahrer. Aber sie schauten gern mal Bauern in Peru beim Färben der Alpaka-Wolle zu, statt sich jeden Tag auf dem Rad einen Berg hinabzustürzen. Und sie schätzten gutes Essen und ein bequemes Bett.
Das gilt aber genauso für jüngere Aktivreisende, ergänzt Casey Hanisko, Sprecherin der Adventure Travel Trade Association (ATTA), die den Summit jährlich veranstaltet. Bei den Jüngeren kommt das Geld oft von den Eltern, erläutert David Chapman von der World Youth Student and Educational (WYSE) Travel Confederation. Schon ist ein neuer Begriff geboren: der Flashpacker. „Das sind Luxus-Rucksackreisende, die immer auf der Suche nach der Party und einem guten WLAN-Signal sind.“
Der Trend zum weichen Abenteuer wird nicht zuletzt von den Veranstaltern befeuert. Denn mit „Soft Adventures“ lässt sich laut Weiss einfach mehr Geld verdienen. Entsprechend wächst der Markt. Im vergangenen Jahr wurden mit Abenteuerreisen laut einer Studie der Welttourismusorganisation (UNWTO) allein in Europa, Nord- und Südamerika 263 Milliarden Dollar umgesetzt, 65 Prozent mehr als 2009.
Die Aktivreisenden geben also immer mehr Geld aus, aber sie haben immer weniger Zeit. „Früher machten die Gäste 10- oder 15-Tage-Wanderungen, jetzt sind es selten mehr als 5 Tage“, sagt Alfredo Ferreyros, der Chef von Explorandes Peru. „Die meisten Treks sind heute Tagestrips, bei denen man abends wieder im Hotel ist.“ Eine wichtige Rolle beim Boom der vororganisierten Wohlfühl-Abenteuer spielt auch das Essen. Es wird nicht nur als Verpflegung im Hotel immer wichtiger, sondern ist oft zentrales Element der Reise.
Neben dem soften Abenteuer identifiziert die UNWTO-Studie zwei weitere Trends: maßgeschneiderte Reisen und Familienreisen. Tatsächlich werden die Angebote immer ausdifferenzierter. „He Travel“ bietet Aktivreisen für Homosexuelle, „8Seasons4Women“ Wandertouren nach Skandinavien exklusiv für Frauen, und „Muddy Shoe“ heißen Sinnsuche-Abenteuer in Begleitung von Lebensberatern.
Viele Familienabenteuer und Multi-Generationen-Reisen werden erst durch die vermögende Rentnergeneration möglich: Die Senioren haben das Geld und die Zeit, ihre Lieben zum gemeinsamen Reisen einzuladen.
Vielen Gästen ist bei Komfort-Abenteuerreisen die Nachhaltigkeit wichtig. Für Ovid Jacota von Wikinger Reisen stellt sich immer die Frage: Trägt man auf Reisen auch zum Schutz der Natur bei?
Nachhaltiger Tourismus kann sich dabei durchaus rechnen, betonen Julian Matthews von Travel Operators For Tigers und Praveen Moman von Volcanoes Safaris. Matthews hat auf dem ATWS ein Tigerschutzprojekt im indischen Ranthambore-Nationalpark vorgestellt und vorgerechnet, dass die berühmte Tigerdame Machali mit ihrer Sippe in zehn Jahren 110 Millionen Dollar eingespielt habe. Die Kosten für ihr Reservat hätten nur 200 000 Dollar betragen. Und jeder Berggorilla in Uganda und Ruanda bringt laut Moman pro Jahr Erlöse von einer Million Dollar. Wilde Tiere auszurotten, sei einfach nur schlechtes Business, meint auch Jeffrey Parish vom WWF.
Länder wie Uganda und Ruanda spielen im Abenteuersegment eine kleine Rolle. Und es mag sein, dass manche Adrenalinjunkies Kurdistan und Palästina besuchen. Aber die meisten Abenteuerurlauber setzen auf sichere, wohlhabende Länder in Amerika, Europa und Asien. Denn Sicherheit ist vielen Aktivreisenden wichtig, das ist eine weitere Erkenntnis aus der UNWTO-Studie. Deshalb will die ATTA einheitliche Ausbildungen für Guides einführen. „Wir brauchen globale Standards“, sagt Hanisko. Die soften Abenteurer dürften dies begrüßen.