Griechenland: Auf alten Ziegenpfaden über die Insel wandern

Auf der kleinen Insel Lefkas im Ionischen Meer ist das Unspektakuläre Trumpf.

Griechenland. Kalimera! Trotz Krise nach Griechenland? Gerade wegen der Krise nach Griechenland! Der Tourismus bringt etwa 20 Prozent des Athener Bruttosozialprodukts auf, knapp eine Million Arbeitsplätze hängen am Geschäft mit den Touristen. Also fliegen wir mal nach Lefkas - aus europäischer Solidarität und aus Neugier: Denn wer kennt schon Lefkas, die Insel im Ionischen Meer?

"Türkisblaues Meer, weiße Felsen, herrliche Strände und gute Preise - das ist Lefkas!" schwärmt Herwig aus Tirol. Er ist vor etwa zehn Jahren auf die Insel an der Nordwestküste Griechenlands gekommen - weil’s ihm auf Elba zu voll wurde. Jetzt schnitzt der Ex-Psychiater hölzerne Souvenirs aus den Olivenbäumen der Insel. Und hofft auf das große Glück.

Auch Brigitte gehört zu den Glücksrittern von Lefkas: Die gebürtige Münchnerin hat die unzähligen Kräuter der Insel zu ihrem Lebenselixier gemacht: "Die Natur ist hier noch intakt und bietet alles!" Alle zwei bis drei Meter bleibt die 59-Jährige stehen, zupft hier an einem Kräutlein, schnuppert dort an einem Strauch.

Manchmal trifft Brigitte auf Helmut, Glücksritter Numero drei. Der sucht mit dem Wanderstock das Glück von Lefkas. Seine Touren durch die wilden Berge sind gut gebucht, seine Geschichte von der Onassis-Insel Scorpios muss er wieder und wieder erzählen: "Onassis hat 1963 das Inselchen in Sichtweite des Hafenstädtchens Nydri gekauft, für damals 10000 Mark. Ein Schnäppchen. Es durfte allerdings kein anderer Tourist mehr nach Lefkas kommen!"

Während Massenziele wie Kreta oder Rhodos unterm Urlauber-ansturm ächzen, hat Lefkas seinen Charme bewahren können. Die kleinen Hafenorte wie Agios Nikitas an der Westküste, Vassiliki im Süden und Sivota im Osten bieten alles, was der Griechenland-Besucher sucht: Urige Tavernen, die ihren Fisch aus dem Meer direkt vor ihrer Tür holen. Dazu schattige Cafés, vor denen die Alten stundenlang sitzen und den gemächlichen Gang der Dinge beobachten. Und als Hintergrund pittoreske Berge - eine Szene wie aus dem Urlaubsprospekt.

Wer sich nicht nur treiben lassen will, der kann auch mächtig Gas geben: "Auf Lefkas geht alles seinen seidenweichen Gang", schwärmt ein norddeutscher Gast auf der lebhaften Promenade von Nydri und rauscht dann mit dem Speedboot ab - unter hohen weißen Felsen zu den Postkartenstränden.

Eine andere Bootstour führt in den kleinen Archipel östlich der Hauptinsel. Vorbei am immer noch der Onassis-Erbin Athina gehörenden Scorpios bis hinaus nach Meganissi tuckert die Fähre. Man nimmt das Fahrrad mit und strampelt auf Meganissi zu einsamen Buchten, von Pinien umrahmt.

Noch authentischer zeigt sich das durch eine riesige Schwenkbrücke mit dem Festland verbundene Lefkas im Inneren. Auf alten "monopathi" (Ziegenpfaden) geht’s durch hüfthohe Farnfelder und köstlich kühle Eichenwälder, ab und an scheucht der Wanderer halbwilde Säue aus dem Unterholz, in der Ferne bellen Hunde, der Wind bläst die Hitze weg. In Marias Taverne im Bergdorf Kolyvata kommt unverfälschte griechische Kost auf den groben Tisch: Zucchiniblüten, Kartoffelauflauf, Hackfleischbällchen mit Minze.

Maria holt alles aus ihrem Bauerngarten. In Karya findet man auf dem Dorfplatz unter riesigen Platanen den nötigen Schatten nach einer Wanderung durch die Berge. Auf Lefkas sind die Westküsten-Strände spektakulär, ansonsten ist das Unspektakuläre Trumpf: Die Kaffeehaus-Tischchen direkt am Strand von Agios Nikitas. Das lebendige Kloster Faneromenis oberhalb des Hauptortes Lefkada. Das kleine, verfallene Kirchlein inmitten duftender Macchia.

Spätestens wenn man sich zu den alten Männern in der Ouzeri von Nydri setzt, spürt sie, die Ruhe. Hier hat man Zeit, viel Zeit.

Selbst im trendigen Honeymooner-Resort in den Hügeln schlägt der Takt gemütlich: Orientalisches Mini-Spa, Suiten mit Messing-Badewanne und Indoor-Pool, der Ober serviert hausgemachte Bio-Limonade aus Inselkräutern, diniert wird im Restaurant unter Feigenbäumen, das Konzert der Zikaden ist inklusive. Siga, siga! sagen die Insulaner - langsam, langsam.

Athen und die Krise sind weit weg. Dass jetzt bis zu 15 Prozent weniger Besucher aus Deutschland kommen, das trifft die durch Steuererhöhungen und andere Sparmaßnahmen gebeutelten Griechen natürlich auch auf der Insel Lefkas. Verständlich ist die Zurückhaltung nicht: Die Strände sind weniger voll, in den Tavernen ist immer ein Tisch frei, das mediterrane Lebensgefühl ist sowieso einmalig. Irgendwann könnte man tatsächlich auf Lefkas bleiben.