Hamburger Elbjazz-Festival: Swing im Schiff, Hip-Hop im Dock

In der Elbmetropole geht der Jazz vor Anker: Vom 24. bis 25. Mai steht alles im Zeichen der Musik.

Hamburg. Jeder zweite Zuhörer „hat sonst mit Jazz nicht viel am Hut und war noch nie in einem Jazzkonzert.“ Mit diesem Umfrage-Ergebnis vom letzten Elbjazz-Festival unterstrich Leiterin Tina Heine den besonderen Charakter des Events, das Ende Mai wieder mindestens 20 000 Besucher an die Elbe und nach Hamburg locken soll.

Ganz klar: Fluss und Hafen sind die Stars, wenn an zwölf Spielorten an und auf dem Wasser rund 60 Bands und Künstler auftreten. Das junge Festival wurde 2010 aus der Taufe gehoben, und findet in diesem Jahr zum vierten Mal statt. Zuschauer fahren mit Barkassen zu den Shows oder unterqueren die Elbe zu Fuß in 24 Metern Tiefe in den gekachelten Röhren des Alten Elbtunnels, der während des Festivals für den Autoverkehr gesperrt bleibt. Das elfenbeinfarbene Schmuckstück war bei seinem Bau 1911 die erste Flussuntertunnelung des Kontinents.

Für Musikliebhaber und Hafenfans aus ganz Deutschland und Europa ist Elbjazz ein Festival, bei dem die Kulisse soviel zählt wie der Inhalt. Bei den Auftritten von Publikumsmagneten wie Brit-Jazzer Jamie Cullum, „I-need-a Dollar“-US-Star Aloe Blacc und dem Joshua Redman Quartet können Zuschauer tief ins Hafenflair eintauchen und Plätze entdecken, die selbst Hamburgern normalerweise verschlossen bleiben, wie etwa die Maschinenbauhalle von Schiffsbauer Blohm & Voss.

Ebenfalls mit an Bord: populäre Wahlhamburger wie Roger Cicero und Stefan Gwildis. Und weil die Kulisse so ungewöhnlich ist, erreichen die Veranstalter auch ungewöhnliche Publikumsanfragen, etwa ob man einen „Campinghocker mitbringen dürfe“. Antwort: Sie dürfen.

Neun Bühnen sind neu dazu gekommen, von der Fischauktionshalle auf Hamburgs weltberühmten, historischen Fischmarkt bis zur hölzernen Riesen-Arche Noah des holländischen Entertainers Aad Peters. Mit dem 70 Meter langen und 13 Meter hohen Schiff, das eigens zu diesem Zweck in der Hansestadt andockt, will sein Besitzer „die biblische Geschichte erlebbar machen“. Der Arche-Nachbau lag bereits in Köln vor Anker.

Die Musik spielt im Design-Hotspot Stilwerk, einer umgebauten Malzfabrik am Elbufer, ebenso wie in der St. Pauli-Kirche, sonst seelsorgerische Anlaufstelle für Seeleute. Zwischen den Spielstätten auf der Nord- und Südseite der Elbe pendeln Barkassen und Elbfähren, deren Benutzung im Festivalpreis inbegriffen ist.

Touristische Specials begleiten das Kult-Ereignis, wie zweitägige Hamburg-Reisepakete inklusive Übernachtung und Festival-Eintritt ab 199 Euro. „Es ist wohl kaum möglich, alle 60 Konzerte zu besuchen“, sagt Elbjazz-Sprecherin Mara Horstmann, „die meisten Fans stellen sich eine eigene Route fürs Konzert-Hopping zusammen.“

Eine Jazz-Rundreise könnte zum Beispiel so aussehen: Mit der Pariser Gitarren-Newcomerin Nina Attal am Freitag im frisch restaurierten, historischen Holzhafen starten, dann zu Fuß die Elbe im alten Elbtunnel durchqueren, zur Maschinenhalle von Blohm & Voss, wo mit „Dunkelkammermusik“ die ungewöhnliche Kombi aus Rapper Sammy Deluxe alias Herr Sorge und Jazzprofessor Florian Weber aufspielt.

Am Samstag mit dem Alfredo-Rodriguez-Trio aus Kuba loslegen, per Barkasse die Elbe überqueren, bei Roger Cicero in der Fischauktionshalle vorbeischauen, von dort zurück per Fähre zum Mega-Auftritt von US-Jazzer Aloe Blacc auf der Freilichtbühne von Blohm & Voss.

„Neue Räume für den Jazz erschließen“, darum geht es den Initiatoren. Aber auch neue Zuhörer für den Jazz: Man wolle „den Begriff Jazz bewusst ausweiten und einem breiten Publikum nahebringen“, erklärt Festival-Macherin Tina Heine, die vor vier Jahren das touristische Musik-Event rund um die Elbe aus dem Boden stampfte.

In diesem Jahr fördert die Hamburger Kulturbehörde das Spektakel erstmals mit 100 000 Euro. Musikalisch docken beim swingenden Wochenende in der Hansestadt nicht nur etablierte Größen wie R&B-Pianist Charlie Wood und das European Jazz Ensemble an, sondern auch junge Solostars wie die New Yorkerin Lakecia Benjamin, frühere Saxophonistin von Alicia Keys, und die UK-Punker Get the Blessing

Auf einer Hochschulbühne an der Elbphilharmonie präsentiert sich der Nachwuchs der Hamburger Hochschule für Musik und Theater. Das Publikum dürfte, solange das unberechenbare Wetter Hamburgs mitspielt, alles genießen: Künstler, Kräne, Möwen und freien Ausblick auf die Elbe inklusive.