Nilkreuzfahrt: Viel Platz auf dem Sonnendeck
Luxor/Assuan (dpa/tmn) - Aus Angst kehren viele Urlauber Ägypten den Rücken. Für eine Kreuzfahrt auf dem Nil ist deshalb gerade jetzt die beste Zeit: Die Preise sind günstig, und die Tempel so leer wie die Schiffe.
Doch die Krise des Landes lässt sich nicht ignorieren.
Hesham Khattab ist ein humorvoller Mann. „Das Instrument kostet einen Euro“, sagt er über die schrille Zither, die überall von den Souvenirverkäufern angepriesen wird. Kunstpause. „Bitte kaufen Sie es nicht.“ Die Reisegruppe lacht.
Khattab hat nicht viel zu lachen in diesen Zeiten. „Ich will mir keine Hoffnung geben, wo keine ist, aber ich will auch nicht schwarzmalen“, sagt der Ägypter und schaut resigniert durch die Lounge der „Nile Smart“. Das Urlaubsschiff klappert in einer Woche die kulturellen Höhepunkte des oberen Niltals ab, Khattab hat den Job als Reiseleiter bekommen. Das passiert ihm nicht mehr oft.
Durch die Revolution und ihre Unruhen sind die Buchungen von Nilkreuzfahrten drastisch eingebrochen. Von den insgesamt 300 Schiffen zwischen Luxor und Assuan fuhren vor dem politischen Umbruch ständig um die 150 - heute sind es keine 30 mehr. Für die Ägypter ist diese Flaute eine wirtschaftliche Katastrophe. Für die Touristen bringt sie fast nur Vorteile. Die großen Kulturstätten aus der Pharaonenzeit sind so wenig überlaufen wie selten zuvor.
Die „Nile Smart“ fährt von Luxor nach Assuan und wieder zurück. Erste Station ist der Horus-Tempel in Edfu. Der mächtige Eingangspylon lässt sich mühelos ohne andere Touristen ins Bild nehmen. Das gleiche gilt für die Säulenkolonnade des Isis-Tempels bei Assuan am nächsten Tag. Und der mächtige Tempel von Abu Simbel an der Grenze zum Sudan, den Kreuzfahrer per Buskonvoi erreichen, wird derzeit oft nur von rund 100 Reisenden am Tag besucht. „Früher waren es 1000“, sagt Sabri Okasha, einer der Aufpasser.
Selbst die wenigen verbliebenen Schiffe sind oft nur zur Hälfte ausgelastet. An Bord haben die Gäste dadurch mehr Platz am Buffet und auf dem Sonnendeck. Ansonsten hat sich am Kreuzfahrt-Mikrokosmos wenig verändert. Die eine stimmt vor jedem Essen die Bluse auf das Halstuch ab, der andere setzt sich stets mit Schlappen und Badeshorts an den Tisch. Einer kann über jeden Tempel dozieren, ein anderer wünscht sich „nicht schon wieder Steine“.
Die „Nile Smart“ erreicht am vierten Tag schon wieder Luxor. Am Nachmittag geht es zum Karnak-Tempel des Gottkönigs Amun-Re mit seinem übermächtig wirkenden Säulensaal und einem 320 Tonnen schweren Rosengranit-Obelisken. Hier wird es ausnahmsweise etwas voller, weil viele Tagestouristen aus Hurghada durch die Wüste herüberfahren: ein Tag Kultur kompakt in Luxor.
Auf der Rückfahrt von Theben-West steht Hesham Khattab ein letztes Mal vorne im Bus und spricht zur Reisegruppe. „Das war meine Arbeit für dieses Jahr“, sagt er. Er hat sich nach anderen Jobs umgesehen. Es gab keine. Seinen Doktor hat er nicht gemacht, vielleicht wäre er sonst ins Ausland gegangen. „Aber meine Wurzeln sind hier.“ Die Familie wartet in Kairo. „Dein Land ist wie deine Mutter, wenn sie krank ist, sorgt man sich“, sagt Khattab.