Jungenarbeit: Ein Vorbild für die Jungs

Ralf Küntges ist ein Exot. Er ist einer von zwei Erziehern in Krefelder Kindergärten. Es sollte mehr Männer in diesem Beruf geben, fordert die Stadt.

Krefeld. "Hast du Spongebob gesehen?" Eine Antwort erwartet der kleine Can nicht. Die Abenteuer des lustigen Schwammkopfs aus der gleichnamigen Fernseh-Serie sprudeln schon aus ihm heraus. Gut, dass Ralf Küntges ab und zu mal einschaltet. So kann er den Vortrag noch mit einem dreifachen Schlachtruf gegen den schlechtgelaunten Tintenfisch krönen. Die Begeisterung der Kinder kennt keine Grenzen.

"Die wichtigsten Charaktere sollte man drauf haben", sagt der 31-jährige Erzieher augenzwinkernd. Seit zwei Jahren arbeitet er in der Kindertagesstätte (TfK) am Kempschen Weg und ist als einer von zwei männlichen Erziehern bei insgesamt rund 240 Stellen in städtischen TfKs eine Rarität. Dass er als Mann mit 20 Steppkes im Stuhlkreis sitzt, kleine Rotznasen putzt und mit ihnen Reimlieder singt, habe großes Erstaunen hervorgerufen, erinnert sich Küntges an die Reaktion von Freunden und Familie. "Jetzt spielt der da mit de Klötze", habe es geheißen, als er sich für einen typischen Frauenberuf entschied.

"Ein Mann im Kindergarten passt für viele einfach nicht", hat auch Udo Giermanns, der zweite Krefelder Exot und Leiter der Tagesstätte an der Niederhochstraße, erfahren. "Sogar in Stellenausschreibungen oder Lehrbüchern für Erzieher wird oft die weibliche Form benutzt." Männer mischen wenig mit in der Erziehung der Kinder. Das gilt sowohl für viele Familien als auch für Kindergärten. "Männliche Erzieher finden auch häufig erst über den zweiten Bildungsweg in den Beruf", so Giermanns. Aber immerhin finden sie ihn überhaupt. Denn Männer erfüllen in der Kindertagesstätte eine wichtige Funktion.

"Die Kinder lernen, dass Männer die gleichen Aufgaben übernehmen, aufräumen, Tisch abwischen und kochen. Dieses Rollenverständnis kennen viele von zuhause nicht, weil ihnen oft die Väter fehlen - sei es durch Berufstätigkeit oder das Aufwachsen bei einer alleinerziehenden Mutter", sagt Giermanns. Der Erzieher im Kindergarten solle aber nicht als Vater-Ersatz verstanden werden, "obwohl das in Einzelfällen schon mal eine Rolle spielt." Für die Jungs können männliche Erzieher Vorbilder sein, an denen sie sich orientieren.

Stand in früheren Jahren die Förderung von Mädchen im Fokus, liegt der Blick heute verstärkt auf den "vernachlässigten Jungs". Mit ihnen beschäftigt sich Küntges beispielsweise in einem eigenen handwerklichen Projekt: "Wir bauen ein Piratenschiff aus Holz." Dabei werden Konstruktionsinteressen und Forschergeist gefördert.

Ralf Küntges, Erzieher

Die Kinder selbst sehen keinen Unterschied darin, welches Geschlecht ihr Gruppenleiter ist. "Wir sind eher Neutren, ich werde deshalb wohl auch oft Frau Küntges genannt", sagt Ralf Küntges und grinst. Unbewusst jedoch spielen männliche Bezugspersonen sehr wohl eine Rolle bei Identitätsentwicklung und Rollenfindung. "Vor allem für Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund sei dies eine wichtige Erfahrung."

"Auch für unser Team ist es eine Bereicherung", sagt Birgit Serafiniak-Schimmack, Leiterin der TfK am Kempschen Weg. Sie hofft, dass es im Rahmen der Debatte um das neue Kinderbildungsgesetz (Kibiz) und des Auftrages der stärkeren Förderung eine Aufwertung des Berufes gibt. "Mir fällt jedenfalls auf, dass die Väter oft mich als Ansprechpartner aussuchen, vielleicht sogar häufiger zu Elternabenden kommen oder sich bei Aktionen mehr einbringen", berichtet Küntges. Zumindest in seinem privaten Umfeld habe sich die Sichtweise verändert: Zu Anfang noch belächelt, ist Küntges heute dreifacher, stolzer Patenonkel.