Herr Meyer lebt sein Hobby aus
Zum ersten Training unter dem neu eingestellten Hoffnungsträger kommen 1000 Fans.
Mönchengladbach. Ein schriller Pfiff, markerschütternd wie der einer ausgedienten Lokomotive, entweicht seinen Lippen. Ende der Vorstellung. Nach 90 Minuten stoppt Hans Meyer am Montag die erste Trainingseinheit mit seiner Mannschaft im sonnigen Mönchengladbach. Der neue Hoffnungsträger im Borussia-Park, mit großem Applaus von 1000 Zaungästen empfangen, ist zurück auf den Brettern, die die Welt bedeuten. "Das Hobby zum Beruf zu machen, ist doch ein Traum. Mit gesunden, jungen Menschen arbeiten zu dürfen - und das auch noch an der frischen Luft. Schön, wirklich schön", sagt der 65-jährige Fußballlehrer aus der ehemaligen DDR und widmet sich nach getaner Arbeit grinsend seinen kommunikativen Aufgaben.
Meyer wie er leibt und lebt. Ein Possenreißer? Ein Erzähler? Ein Narziss? Ein begnadeter Entertainer? In erster Linie ist der Mann aber Trainer, Fußballlehrer, und er weiß, worauf es ankommt. "Der Ball muss ins Tor. Nur das zählt", erzählt Meyer überaus anschaulich, umgeben von Mikrofonen, Kameras, Fragestellern. "Wir müssen versuchen, so schnell wie möglich von den Abstiegsplätzen weg zu kommen. Mit einem Erfolg im Rücken klappt alles viel besser."
Am Sonntag ist Meyer, der Gladbach schon einmal trainiert hat (1999 bis 2003), inthronisiert worden. Das Ziel: Klassenerhalt. Erster Auftrag: am Samstag Karlsruhe schlagen. Aber reicht die Qualität in der Mannschaft? Wie ist der 28-Mann starke Gladbacher Kader einzuschätzen? Wie ist es um das Selbstbewusstsein eines Teams bestellt, das möglicherweise Mittwochabend, nach dem Nachholspiel zwischen Frankfurt und Karlsruhe, auf Rang 18 abrutscht?
Meyer, der sein Leben neu geordnet hat und mit Maren Zimmermann (39), Dramaturgin am Nürnberger Staatstheater, liiert ist, muss nun im Borussia-Park so schnell wie möglich den "Haushalt" ordnen. "Ein paar Torschüsse oder Positionsspiele, okay, das war der Auftakt. Am Dienstag geht es weiter. Die Mannschaft weiß ja wenig von mir, und auch ich muss sie noch richtig kennenlernen."
Damit hat Hans Meyer am Montag begonnen. In Gesprächen, einzeln oder in der Gruppe. Mit seinen Assistenten Christian Ziege und Jürgen Raab sowie dem neuen Sportdirektor Max Eberl. Der ist als Meyers ehemaliger Spieler von ihm infiziert. "Er prägt einen durch seine Rhetorik, seine Ironie und Ansichten", sagt Eberl.
Der neue Zampano im Borussia-Park hat noch vier Tage Zeit, um die "Mosaiksteinchen" zusammenzufügen und die Borussen auf den Abstiegskampf einzuschwören - ähnlich wie vor acht Jahren, als er bei seiner ersten Station im deutschen Profifußball am Gladbacher Bökelberg anheuerte und mit seinem Team sogar auf der untersten Sprosse der zweiten Liga beginnen musste.
20Monate später, im Mai 2001, ließ er sich als Triumphator feiern, die Anhänger des VfL Borussia lagen ihm zu Füßen. Der gebürtige Thüringer krönte sein erstes Engagement im Westen der Republik mit dem Aufstieg in die Bundesliga. Jetzt fängt Meyer wieder unten an, und vielleicht hängt ja der Himmel auch im Mai 2009 wieder voller Geigen. Meyer würde es gewiss zu genießen wissen. Sein Werk hat gerade erst begonnen.