Olympia-Serie: Rückblick - Silber für Hinsbecker Grafen
Richard Graf von Schaesberg stand vor 96 Jahren mit der Military-Mannschaft und „Grundsee“ auf dem Treppchen.
Hinsbeck. 39 Jahre danach, im Jahre 1951, schrieb Richard Graf von Schaesberg in einem Brief, dass er noch immer viel Stolz darüber empfinde, mit der Military-Mannschaft bei den Olympischen Sommerspielen 1912 die Silbermedaille gewonnen zu haben.
Mit der Eröffnung der Spiele von Stockholm durch Seine Majestät König Gustav V. von Schweden begann ein olympisches Turnier, das Maßstäbe setzte für die zukünftigen Austragungen: Erstmals wurden Stadien extra für die Spiele errichtet, es kamen elektronische Zeitmessung und Zielfotographie zum Einsatz.
Die Sportler kamen das erste Mal von allen fünf Kontinenten der Erde. Auch bei den Sportarten gab es eine Weiterentwicklung: In der Leichtathletik wurden Langstreckenläufe und Staffeln eingeführt, Frauen durften erstmals an den Schwimmwettbwerben teilnehmen.
Und: Nach zwölfjähriger Pause waren wieder der moderne Fünfkampf und das Reiten im Programm.
Um sich für Letzteres qualifizieren zu können, versammelten sich vier Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele die besten Dressur- und Springreiter der deutschen Armee mit ihren Pferden auf der Heeresreitschule in Hannover. Unter ihnen auch der Hinsbecker Richard Graf von Schaesberg, der im Schloss Krickenbeck lebte.
"Das Herz schlug höher in der Hoffnung, mit dabei zu sein", so seine Erinnerungen. Und er durfte mit dabei sein: Der Graf setzte sich gegen die Konkurrenz mit seinem Pferd "Grundsee" durch, gemeinsam mit Friedrich von Rochow (auf "Idealist"), Eduard von Lütcken (auf "Blue Boy") und Carl von Moers (auf "May-Queen") bildete er die deutsche Military-Mannschaft.
Bei strahlendem Sonnenschein hatte die deutsche Equipe mit ihren Pferden an vier aufeinander folgenden Tagen ein hartes Programm zu absolvieren:
Am ersten Tag stand ein 50 Kilometer langer Geländeritt an, am zweiten eine Prüfung im Renngalopp über die Hindernisbahn, am dritten ein Springen auf dem Turnierspringplatz in einem zeitlich vorgeschriebenen Parcours und am Abschlusstag ein Vorreiten in der Dressur im dafür angewiesenen Viereck nach Kommando.
"Es gehörte ein Pferd mit viel Blut und viel Herz dazu", sagte von Schaesberg. "Und für dieses wiederum ein gutes Training, um diesen Anforderungen gerecht zu werden." Die Ergebnisse der drei besten Reiter kamen in die Wertung. Da Carl von Moers disqualifiziert wurde, kam es auf die drei anderen Reiter an.
Und diese sicherten sich nach den Schweden und vor den USA die Silbermedaille. "Wenn die deutschen Reiter bei der Stockholmer Gebrauchsprüfung nicht die goldene Medaille erhielten", schrieb von Schaesburg, "so lag die Schuld wohl an mir und meinem Pferde, weil dieses in der Dressurprüfung bei einer ganzen Parade vom starken Trab zum Halten kerzengerade in die Luft stieg."
Dass der olympische Gedanke des Gründers Pierre de Coubertin damals de facto nicht nur ein Gedanke war, beweisen die letzten Sätze im Brief des Grafen: "Unserer großen Freude an dem immer noch schönen Erfolg hat dieses Missgeschick keinen Abbruch getan.
Froher Dinge viel schönes und lehrreiches gesehen und voller Dankbarkeit eine vorbildliche Gastfreundschaft der Schweden genossen zu haben, kehrten wir in die Heimat zurück."
Mit dem Reiten musste Richard Graf von Schaesberg spätestens 1922 aufhören: Nach einem schweren Unfall bei einer Bobfahrt in Garmisch-Patenkirchen verletzte er sich so schwer, dass sein linkes Bein steif wurde. Zwei Jahre, nachdem er seine Erinnerungen an das olympische Turnier niederschrieb, verstarb er 1953 im Alter von 69 Jahren.