Der Bundesliga-Winter-Check 2015/16 Horst Heldts Spagat bei der Kaderplanung

Schalkes scheidender Manager muss trotz seines Abschieds schon für die neue Saison planen. Sein Nachfolger steht noch nicht fest.

Will offenbar zum FC Barcelona: Schallke-Juwel Leroy Sane.

Foto: Maja Hitij

Fort Lauderdale. Im sonnigen Florida wollte der FC Schalke 04 die Grundlage für eine Aufholjagd in der Bundesliga-Rückrunde legen, doch so reibungslos wie erhofft verlief das bis heute dauernde Trainingslager in den USA nicht. Spekulationen um den begehrten Jungstar Leroy Sané, die Verletzung von Kapitän Benedikt Höwedes und nicht optimale Trainingsbedingungen störten die Vorbereitung bei der Knappen-Werbetour im „Soccer“-Land. Selbst das Wetter spielte nicht recht mit. Im Wintercheck beleuchten wir unter anderem die Hinrunde, Heldts Rolle in Bezug auf die Kaderplanung, das Entwicklungspotenzial und die Position des Trainers.

Wo lagen die Stärken und Schwächen in der Hinrunde?

André Breitenreiter ist nicht müde zu betonen, dass es seine Taktik war, die die Schalker nach sieben Spieltagen den besten Saisonstart seit 44 Jahren beschert hatte. 16 Punkte hatte der Ruhrgebietsklub zu diesem Zeitpunkt gesammelt und es schien, als habe der Trainer das richtige Mittel gefunden, um die unter Vorgänger Roberto Di Matteo versteckten Talente seines Teams auf den Platz zu bekommen. Frühes Pressing, mehr Leidenschaft waren die Zutaten, die die Mannschaft beflügelten — allerdings spielte in der Anfangsphase auch eine gehörige Portion Glück eine Rolle. Das markanteste Beispiel war das kuriose 1:0 beim VfB Stuttgart, bei dem sich nicht nur die Klubverantwortlichen noch heute fragen, wie sie diese Partie ob der eklatanten Überlegenheit der Schwaben als Sieger beenden konnten. Je länger die Hinrunde andauerte, je weniger war von der forschen Herangehensweise zu sehen. Während die Defensive einen soliden Eindruck hinterließ (23 Gegentreffer), ist das Offensivspiel (23 Tore) der bisher größte Pferdefuß.

In welchen Mannschaftsteilen besteht noch Bedarf?

Vor allem in der Kreativzone im zentralen Mittelfeld fehlte es vielfach an Ideen, defensiv gestaffelte Gegner auszuspielen. Johannes Geis (22 Jahre), Max Meyer (20) und auch Leon Goretzka (20) zeigten zwar mehrfach gute Ansätze, allerdings fehlte noch die Konstanz, um die Fähigkeiten dauerhaft zu zeigen. Breitenreiter beklagte immer wieder den Qualitätsverlust durch den Verkauf von Julian Draxler (zum VfL Wolfsburg). Mit Alessandro Schöpf (21), der in der Winterpause für rund fünf Millionen vom 1. FC Nürnberg verpflichtet wurde, steht nun eine offensive Mittelfeld-Alternative zur Verfügung. Aber vor allem der gerade von Dynamo Kiew bis zum Saisonende ausgeliehene Younes Belhanda soll für die nötigen Impulse sorgen. Der 25 Jahre alte Marokkaner gilt als technisch starker offensiver Mittelfeldspieler. Sollten diese Transfers ihre Wirkung entfalten, dürften vor allem die Stürmer davon profitieren.

Wo drohen Konflikte?

Der Angriff stellt im Vergleich zu den Vorjahren nur noch ein laues Lüftchen dar. Klaas-Jan Huntelaar hat gerade einmal fünf Bundesliga-Treffer erzielt. Der im Sommer mit großen Hoffnungen aus Bremen gekommene Franco Di Santo spielt bisher so gut wie keine Rolle bei den Schalkern. In der Bundesliga erzielte er gerade einmal einen Treffer. Dass die Stürmer so enttäuschen, liegt zum einen daran, dass beide auf der Suche nach ihrer Form sind. Zum anderen erhalten sie kaum verwertbare Zuspiele und müssen viel zu oft als Alleinunterhalter im Angriff fungieren. Auch stellt sich dem Zuschauer die Frage, ob die beiden überhaupt zusammen gehen. Das von Breitenreiter bevorzugte, kollektive Angriffsspiel funktioniert bislang viel zu selten. Sollte sich dieses Bild in der Rückrunde fortsetzen, dürfte sich das Konfliktpotenzial innerhalb des Teams steigern. Überaus spannend ist zudem die Frage, die außerhalb des Rasens beantwortet werden muss: Inwieweit hat der im Sommer scheidende Manager Horst Heldt freie Hand bei der Kaderplanung? Und wie wird sein Nachfolger heißen? Noch ist diese Entscheidung nicht gefallen, doch der Name Christian Heidel geistert nach wie vor durch die Gelsenkirchener Gazetten. Je länger diese Personalie ungeklärt ist, desto mehr Unruhe dürfte damit verbunden sein.

Wie wird sich der Kader im nächsten halben Jahr verändern?

Die Liste der Schalker „Problemfälle“ lichtet sich. Der aussortierte Felipe Santana wird künftig für Kuban Krasnodar spielen. Für Sidney Sam scheint sich der von Jürgen Klopp trainierte FC Liverpool zu interessieren. Dem 27-Jährigen würden bei einer Wechselabsicht wohl keine Steine in den Weg gelegt werden. Die entscheidende Frage wird aber sein, welchen Weg Shootingstar Leroy Sané einschlagen wird. Ein kurzfristiger Wintertransfer scheint ausgeschlossen. Aber werden die Schalker und vor allem Sané (Vertrag bis 2019 ohne Ausstiegsklausel) selbst den Verlockungen der überaus finanzkräftigen englischen oder spanischen Spitzenteams im Sommer widerstehen können? So ziemlich jeder namhafte europäische Klub hat bereits sein Interesse hinterlegt. Über 50 Millionen Euro Ablösesumme stehen derzeit für einen Wechsel im Raum — was noch lange nicht das letzte Wort für den erst 20 Jahre alten Angreifer (4 Tore) gewesen sein dürfte. Die Entscheidung Sanés dürfte entscheidenden Einfluss auf die Zukunft des Klubs haben.

Wie viel Entwicklungspotenzial steckt im Kader?

Es ist das große Pfund, mit dem der FC Schalke 04 wuchern kann: Die Mannschaft verfügt über eine Vielzahl junger, hoch talentierter Spieler wie Marvin Friedrich, Sané, Meyer, Geis, Goretzka und einige mehr. Manch ein Bundesligist dürfte den Klub um die sich daraus ergebenden Perspektiven beneiden. „Unser Augenmerk gilt stets jungen Talenten, die noch Entwicklungspotenzial haben“, sagt Manager Horst Heldt, der diese Devise in den vergangenen Jahren umgesetzt hat. Sowohl auf dem Fußballfeld als auch auf dem Transfermarkt können die Schalker mit erheblichen Wertsteigerungen dieser Spieler rechnen.

Wie steht es um den Trainer?

André Breitenreiter hat mit seiner hemdsärmeligen Herangehensweise die Stimmung in Schalke deutlich verbessert. Der 42-Jährige ist von sich und von seinen Methoden bis an die psychologische Schmerzgrenze überzeugt, was sich vor allem in seiner Anfangszeit am Berger Feld positiv auf die Mannschaft und das Umfeld ausgewirkt hat. Die Leidenschaft und den Mut, den Breitenreiter von seinen Spielern einfordert, hatte gegen Ende der Hinrunde allerdings deutlich nachgelassen, was den Trainer dazu veranlasste, seine Unzufriedenheit über die zu geringe Breite in der Zusammensetzung des Kaders auszudrücken. Das hinter vorgehaltener Hand genannte Saisonziel der Schalker ist das Erreichen der Champions League: Dafür müssen sich alle Beteiligten noch deutlich in der Rückrunde steigern.