Die lange Leidenszeit der launischen Diva ist vorbei
Balsam für die geschundene Fan-Seele: Nach zehn Jahren kehrt Fortuna Düsseldorf in die 2. Bundesliga zurück.
Düsseldorf. Es war eine Nacht- und Nebelaktion mitten in der zehnjährigen Fußball-Diaspora. Verzweifelte Fans des "Kommando Rettet Fortuna" stiegen 2001 im Dunkeln über den Zaun am Flinger Broich, wo die Kicker ihre Liga-Spiele austrugen, und entführten die Elfmeterpunkte, schnitten das gekälkte Grün sauber aus dem Strafraum heraus. Einmalig in Fußball-Deutschland, sogar die ferne "Süddeutsche Zeitung" schickte Reporter vorbei und widmete dem Kidnapping einen Aufmacher im Sportteil. Die Forderung der Fans: Der damalige OB Erwin, der einen der Punkte gestiftet hatte, sollte die heimische Wirtschaft dazu bringen, den kurz vor der Pleite stehenden Verein zu retten.
Zum schwarzgalligen Humor fühlten sich die entnervten Anhänger des Düsseldorfer Klubs wie zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Wer in den 90er Jahren noch in der 1. Bundesliga spielt und dann bis in die vierte Klasse (ab 2002) durchgereicht wird, muss leidensfähig sein und sich selbstbeschwörend klar machen, dass er da zu einer ganz besonderen und irgendwie edlen Form der Gefolgschaft verdammt ist.
"Liebe kann man nicht erklären" lautet deswegen ein Slogan, der im Fortuna-Stadtteil Flingern erdacht wurde. Er zeigt, wie sich Hilflosigkeit und ein letzter Rest Selbstachtung in einem Satz zusammenfassen lassen. Als der Kabarettist Dieter Nuhr im Mai 2003 das berühmte Spiel "Mythos Fortuna" - die damalige Fortuna-Mannschaft spielte gegen eine Veteranenauswahl - kommentierte, kauften die Fans massenhaft das T-Shirt des Tages. Auf dem Rücken Nuhrs Fußball-Weisheit: "Wer Fortuna-Fan ist, braucht das Leben nicht zu fürchten."
Jetzt dürfen sich die Düsseldorfer sogar am Leben erfreuen. Nach zehn Jahren wieder zweite Liga, da fließen die TV-Gelder reichlich. Nicht 800 000 Euro wie in Liga3, sondern vier Millionen Euro kommen in die Kasse. Übertragungen gibt’s nicht nur am letzten Spieltag, wenn’s um die Wurst geht.
Es ist also doch einmal gut ausgegangen, die Landeshauptstadt erlebt ihr eigenes Fußballmärchen. Das können viele noch gar nicht so recht glauben, denn bis zuletzt sah es wieder nach einem typischen Fortuna-Drehbuch aus: Auch in dieser Saison verschenkte die "launische Diva" Punkte in Serie, weil dutzendfach so genannte hundertprozentige Chancen vergeigt wurden. So führte die Mannschaft am 10.Mai in Braunschweig fünf Minuten vor Schluss 5:4 - und kassierte doch noch den Ausgleich. Nervenzermürbend.
Nicht auszudenken, Fortuna wäre Vierter geworden. Möglich war das im Herzschlagfinale. "Das ist das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann", stöhnte vor dem Anpfiff Jörg Mitze, Manager der schicken Arena. Hunderte Sicherheitsleute und Rettungskräfte standen parat. Den 218 Millionen-Bau hätte Mitze in diesem Fall wohl erst einmal renovieren müssen.
Denn die Düsseldorfer erwarteten den Aufstieg: 50 095 Fans füllten das Stadion, es war rot-weißer Wandertag wie in besten Zeiten. Gegnerische Fans aus Bremen reisten gar nicht erst an. "Das hat es noch nicht gegeben", strahlte Vorstandschef Peter Frymuth. Die Begeisterung war so groß, dass Oberbürgermeister Dirk Elbers bei der Aufstiegsfeier am Rathaus am Sonntag gleich den schnellstmöglichen Aufstieg in die 1. Bundesliga forderte.
Wie dicht Erfolg und tiefer Fall in der Region beieinander liegen, wissen die Fans. Da braucht man nur über den Stadionzaun zu schauen. Der einstige Bundesligist KFC Uerdingen fristet sein Dasein in der sechsten Liga, trainiert vom Ex-Fortuna-Coach Uwe Weidemann. Beim Wuppertaler SV geht es ums Überleben: Präsident Friedhelm Runge hatte schon damit gedroht, dass man ohne Finanzhilfen der städtischen Tochtergesellschaften freiwillig von Liga 3 in Liga 5 gehen werde. Am Sonntag nun versprach er, es doch noch mal "mit einem Mini-Etat" in Liga 3 zu versuchen.
Sponsorengelder in größerem Stil winken halt nur den telegenen Spitzenklubs. Fortuna hatte das Vertrauen bei der heimischen Wirtschaft verspielt, jetzt darf der Verein erneut auf einen Geldstrom hoffen. Es hat sich mit dem deutsch-israelischen Geschäftsmann Daniel Jammer sogar ein angeblicher Multi-Millionär angesagt, den manche bereits zum Retter hochjubeln. Diese Diskussion kann der Verein nun etwas gelassener und mit der gebotenen Sorgfalt angehen.
Fortuna Düsseldorf muss seine Selbstbestimmung nicht aus der Hand geben, der Verein stellt eine starke Marke dar, erst recht nun, da der Mythos das Schattental verlässt und wieder ins Licht tritt. Die Fans wissen das. Deswegen haben sie am Samstag zu Zehntausenden das Spielfeld gestürmt und den Rasen in eine Mondlandschaft verwandelt. Viele nahmen sich ein Stück des "heiligen Grüns" mit. Diesmal aus reiner Begeisterung.