Eisbein, Hüft-OP und ein Projekt: USA mit Sorgen
Daegu (dpa) - Mit acht Weltmeistern von Berlin reist die Leichtathletik-Großmacht USA nach Daegu. Doch die Liste der Ausfälle liest sich wie ein kleines „Who is Who?“ dieses Sports.
Und ausgerechnet auf den prestigeträchtigen 100 Metern droht den amerikanischen Männern erstmals seit 2003 eine medaillenlose Meisterschaft. Der verletzte Topsprinter Tyson Gay (Hüftoperation), dreifacher Goldmedaillen-Gewinner von Osaka 2007, ist nur zu Sponsorenterminen und als Zuschauer in der südkoreanischen WM-Stadt.
Auch Michael Rodgers ist aus dem Favoritenkreis herausgefallen: Der Medaillenkandidat muss wegen eines Doping-Verstoßes daheimbleiben. Ohne ihn und Gay wird es schwer für die US-Asse gegen das jamaikanische Team um Weltrekordler Usain Bolt. Daran ändert auch die Absage des Weltjahresbesten Asafa Powell nicht viel.
Die Hoffnungen in der Heimat der jeweils dreimaligen Sprint-Kings Carl Lewis und Maurice Greene ruhen jetzt auf dem ehemaligen Weltmeister (2005) und Olympiasieger (2004) Justin Gatlin, der wegen Dopings vier Jahre lang gesperrt war. Hinzu kommt noch der 25 Jahre alte US-Meister Walter Dix.
Ob Gatlin wieder Fuß fassen kann, ist fraglich: Vor zwei Wochen zog sich der 29-Jährige in einer Kältekammer, die er mit nassen Socken betreten hatte, Erfrierungen an den Zehen zu, die immer noch nicht komplett verheilt sind. Doch Gatlin geht es in den kommenden Tagen weniger um Wunden, als um seine Würde. „Amerikaner lieben Helden, aber sie lieben noch mehr eine gute Comeback-Story“, sagt der er. „Leute wollen Tragödien sehen und wie man diese bewältigt. Ich weiß das zu schätzen, das reichert meine Geschichte noch an.“
Im Frauensprint liegt hingegen der 100-Meter-Titel für Carmelita Jeter schon bereit. Niemand war in diesem Jahr schneller (10,70 Sekunden) als sie. Auf der halben Stadionrunde peilt die dreimalige Weltmeisterin Allyson Felix einen weiteren Triumph an - und startet zudem auch über die 400 Meter. Das „California Girl“ aus Los Angeles will als Erste überhaupt dieses spezielle Doppel-Gold schaffen. Das gelang bislang nur Valerie Brisko-Hooks (1984) sowie Michael Johnson und der Französin Marie José Perec (1996) bei Olympischen Spielen.
Manche Experten sind jedoch skeptisch, ob die USA wie 2009 in Berlin zehnmal Gold und jeweils sechsmal Silber und Bronze holen können. „USA reisen zur WM und einige Topstars fehlen“, schrieb die Tageszeitung „Houston Chronicle“. Zu den Verletzten zählt auch Zehnkampf-Olympiasieger Bryan Clay, 400-Meter-Ass Jeremy Wariner, 200-Meter-Sprinter Wallace Spearmon und Hürdenflitzerin Lolo Jones.
Bislang gab es bei zwölf Weltmeisterschaften 121 Mal Gold für die USA. Seit den Titelkämpfen 1991 in Tokio haben die „Yanks“ jeweils die Medaillen-Wertung gewonnen und dabei immer mindestens ein halbes Dutzend WM-Titel geholt. „Wir wollen unseren inoffiziellen Titel als Nummer eins verteidigen“, betont die Leiterin der Abteilung Leistungssport des US-Verbandes, Benita Fitzgerald-Mosley.
Der Blick geht aber bereits über Daegu hinaus nach London: Bei den Olympischen Sommerspielen 2012 wollen die USA 30 Medaillen holen und so die Enttäuschung von Peking (23) vergessen machen. „Projekt 30“ heißt das ambitionierte Programm.