Das Gespenst der Großen Depression

Die Turbulenzen der Gegenwart erinnern an die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren – Rückblick auf ein Desaster.

Düsseldorf. Der Albtraum beginnt mit einem Gerücht. Dem Gerücht von der Zahlungsunfähigkeit der mächtigen Berliner Danat-Bank. Panik erfasst die Deutschen, lange Schlangen bilden sich vor den Filialen, weil Kunden ihr Erspartes retten wollen.

Es ist Montag, der 13. Juli 1931: Die Banker schließen in Anbetracht des Ansturms ihre Schalter. Als Kettenreaktion setzt sich die Panik fort, erfasst zunächst auch die Dresdner Bank, dann alle anderen.

Reichskanzler Heinrich Brüning lässt seiner Wut auf die Banker freien Lauf. Er sagt: "Auf eines wird der Durchschnittskunde der Banken bei der Höhe der Verluste bestimmt schließen, nämlich auf die Fähigkeit oder Unfähigkeit der Bankleitung."

Brüning weiß, was die Banken zwei Jahre nach dem Börsencrash von 1929 in den Ruin getrieben hat: Kapitalabflüsse ins Ausland, die weltweite Verflechtung der Institute durch den Handel mit faulen Krediten und windigen Wertpapieren, wilde Spekulationen mit Leerverkäufen. In den USA haben zu diesem Zeitpunkt bereits 9000 Kredithäuser aufgegeben, in Deutschland droht an diesem Montag die Kernschmelze des Finanzsystems.

Brüning zieht noch am selben Tag die Notbremse: Er lässt alle Banken für drei Tage schließen, damit die Massenhysterie abebbt. Dann rettet er die Banken mit Finanzspritzen. Im Gegenzug erwirbt der Staat Beteiligungen - 1932 gehören ihm 90 Prozent der Dresdner Bank, 70 Prozent der Commerz- und Privatbank sowie 30 Prozent der Deutschen Bank.

Zwar kann der Zentrumspolitiker durch sein beherztes Eingreifen den Kollaps verhindern, doch erntet er dafür vor allem Undank. Nicht nur die unterworfene Finanzwelt grollt dem Reichskanzler, auch das Volk murrt. Es sieht sich in seinen antikapitalistischen Reflexen bestätigt und versteht die Übernahme der Kredite durch den Staat als "Sozialisierung der Verluste". Kommunisten und die Nazis schlachten das genüsslich aus.

Zugleich gewinnt die weltweite Rezession, die mit dem Schwarzen Freitag an der New Yorker Börse 1929 ihren Anfang genommen hatte, nach der Bankenkrise eine ungeheure Dynamik.

Das Weltwirtschaftssystem zerbricht endgültig, als sich Großbritannien und die USA hinter hohen Mauern aus Schutzzöllen verschanzen. Der Ausverkauf an den Börsen beschleunigt sich, 1932 erreichen die Kurse ihren Tiefstand. Der amerikanische Dow Jones fällt gegenüber seinem Höchststand von 380 Punkten im Sommer 1929 auf 42 Punkte und hat damit 90 Prozent seines Wertes verloren; erst 1954 wird er wieder das Niveau von 1929 erreichen.

In ihrem Schock drehen Regierungen und Notenbanken die Geldhähne zu, was eine lähmende Deflation auslöst. Erst 1933 geht Washington langsam zu wachstumsfördernden Investitionen über.

In Deutschland hat das Massenelend unterdessen die politische Ordnung aus den Angeln gehoben: 1932 steigt die Arbeitslosenquote auf 43,8 Prozent. Im Januar 1933 übernimmt Adolf Hitler die Macht - die Jahrhundertkatastrophe nimmt ihren Lauf.