Erstes NS-Raubgemälde geht an Kanada zurück

Berlin/Stuttgart (dpa) - Die Stuttgarter Staatsgalerie hat ein als NS-Raubkunst geltendes Gemälde an die Erben des jüdischen Kunstsammlers Max Stern zurückerstattet.

Es ist die erste Rückgabe eines deutschen Museums, seit die kanadische Erbengemeinschaft Sterns vor zehn Jahren die systematische Forschung nach den verschollenen Kunstschätzen begann. Mehr als 400 Bilder fehlen noch.

Bei dem jetzt erstatteten Kunstwerk handelt es sich um das frühe Renaissancebild „Maria mit Kind“, die dem flämischen Maler Robert Campin (Meister von Flémalle) und seiner Werkstatt (1375-1444) zugeordnet wird. Vertreter der Staatsgalerie übergaben das Gemälde am Dienstag dem kanadischen Multikulturalismus-Minister Jason Kenney, wie die kanadische Botschaft in Berlin mitteilte.

Die baden-württembergische Kunstministerin Theresia Bauer (Grüne) erklärte: „Wir haben eine historische Verantwortung, Kulturgüter, die den Verfolgten des Naziregimes entzogen worden sind, zu ermitteln und zurückzugeben.“ Derzeit laufen ihren Angaben zufolge 30 Restitutionsverfahren an staatlichen Museen im Land.

Stern (1904-1987), der einen florierenden Kunsthandel in Düsseldorf betrieb, habe die „Maria mit Kind“ und andere Werke 1938 unter dem Druck der Nazis verkaufen müssen, um eine Ausreisegenehmigung für seine Mutter Selma zu bekommen, teilten die Stern-Erben nach langjährigen Recherchen mit. Der Verbleib des Bildes während der Nazizeit ließ sich nicht genau klären. Jedenfalls kam es nach dem Krieg in das Stuttgarter Museum und wurde zweifelsfrei als Eigentum von Stern identifiziert.

Der Mäzen und Kunsthändler war 1938 aus Deutschland geflüchtet und emigrierte 1943 nach Kanada. Dort wurde er zu einem der wichtigsten Kunsthändler, der Kontakte zwischen Künstlern und Sammlern diesseits und jenseits des Atlantiks schuf. Seine Erben sind die Concordia und die McGill Universität in Montreal sowie die Hebräische Universität in Jerusalem.

Concordia-Präsident Alan Shepard dankte der Stuttgarter Staatsgalerie für die Rückgabe. „Nachdem noch mehr als 400 Bilder fehlen, ist es jetzt die größte Herausforderung, auch andere Museen mit Stern-Bildern dazu zu bewegen, dem Vorbild der Staatsgalerie zu folgen“, sagte er.

Die Rückgabe erfolgte laut Kunstministerium in Stuttgart auf Grundlage der sogenannten Washingtoner Erklärung von 1998. Darin wurde vereinbart, NS-Raubgut nach individueller Prüfung an die rechtmäßigen Eigentümer oder ihre Erben zurückzugeben. Deutschland hat sich der Vereinbarung angeschlossen. Zahlreiche Museen durchforsten seither ihre Bestände nach fraglichen Kunstwerken.