Absprachen im Strafprozess: Die Wahrheit darf nicht vereinbart werden

Karlsruhe verhandelt über Absprachen im Strafprozess

Biete milde Strafe gegen Geständnis. Solche Absprachen zwischen Richter, Verteidiger und Staatsanwalt gibt es nicht erst seit der gesetzlichen Regelung vor drei Jahren. Doch eines scheint gewiss: Diese Regelung, die am Mittwoch vom Bundesverfassungsgericht überprüft wird, hat das Vertrauen in eine gerechte Justiz nicht gestärkt.

Sicherlich gibt es gute Gründe für solche Absprachen. Die überlasteten Gerichte ersparen sich komplizierte und teure Prozesse, können sich anderen Aktenbergen zuwenden. Monatelange Verfahren stärken schließlich auch nicht gerade das Ansehen der Justiz. Da wirkt eine Abkürzung wohltuend und kann durchaus im Interesse des Opfers oder von Zeugen liegen. Denn ein Geständnis des Angeklagten erspart ihnen belastende Situationen im Gerichtssaal.

Trotzdem gibt es gewichtige Argumente gegen den ausgehandelten Strafrabatt. Denken wir an den Täter, der in Wahrheit eine strenge Strafe verdient hat: Wie kann es sein, dass die Überlastung der Gerichte als ungeschriebener Strafmilderungsgrund für ihn herhält? Oder der umgekehrte Fall — der Fall des Angeklagten, dessen Schuld gering ist. Der aber Angst hat, sich eine höhere Strafe einzuhandeln, wenn er den Deal und die damit für den Richter verbundene Arbeitsvereinfachung ablehnt. Er kann sich unter Druck gesetzt fühlen, etwas zuzugeben, wofür er nicht oder jedenfalls nicht so verantwortlich ist.

Absprachen im Strafprozess erschüttern den Glauben, dass es vor Gericht mit rechten Dingen zugeht. Hochbezahlte Anwälte in komplizierten Wirtschaftsprozessen können das Gericht mit der Drohung unter Druck setzen, die Sache mit einer Unzahl von Beweisanträgen in die Länge zu ziehen. Der Ladendieb kann das nicht. Dem Deal haftet daher durchaus der Geruch eines „Zwei-Klassen-Strafrechts“ an.

Es liegt nahe, dass ein einmal ausgehandeltes Geständnis vom Gericht kaum näher auf seine Glaubwürdigkeit überprüft wird. Der Richter ist schließlich froh, die Akten schließen zu können. Da steht die Binde um die Augen der Justitia am Ende nicht dafür, dass sie ohne Ansehen der Person urteilt. Sondern dafür, dass sie wegsieht. Und die Wahrheit, die da am Ende herauskommt, ist nicht eine, die ermittelt worden ist. Sondern eine, die von den Beteiligten vereinbart wurde.