Agenda 2010: Viele Opfer — und trotzdem ein Gewinn

Die umstrittene Agenda 2010 ist auf dem Weg zur Agenda 2020

Wo stünde Deutschland ohne die Agenda 2010? Das ist die einzige Frage, die zum Jubiläum dieser stets umstrittenen Reform in der Rückschau wichtig ist. Die zweite Kernfrage lautet, wie eine künftige Regierung die Agenda nach der Bundestagswahl im September reformieren beziehungsweise weiterentwickeln wird. Denn Änderungen sind wohl nötig.

Die Agenda hat viele Opfer. Das prominenteste heißt Schröder, war damals Kanzler und gilt als ihr Erfinder. Gerhard Schröder handelte dermaßen konsequent, dass er zwei Jahre später seinen Job als Regierungschef los war. Besonders Langzeitarbeitslose samt Angehörige nahmen ihm übel, dass sie nach Ablauf des Arbeitslosengeldes nicht mehr die gegenüber der Sozialhilfe meist höhere Arbeitslosenhilfe bekommen, sondern rasch von der sozialen Leiter fallen — und Menschen gleichgestellt sind, die selten oder nie gearbeitet haben.

Das ist in vielen Fällen brutal. Doch angesichts der damals sehr hohen Zahl von Erwerbslosen war es wohl nötig. Die Idee war, den Anreiz, auch eine schlechter bezahlte Stelle anzunehmen, zu erhöhen. Das Ergebnis mit einer heute relativ niedrigen Arbeitslosenquote in Deutschland hat Schröder recht gegeben.

Ähnliches gilt für die Veränderungen im Gesundheitswesen, wobei hier weiterhin die Gefahr besteht, dass die glücklicherweise viel besser gewordene medizinische Leistung, von der wir alle profitieren, unbezahlbar wird. Hier ist Nachbessern nötig.

Sehr unpopulär, aber angesichts der gestiegenen Lebenserwartung logisch ist die Erhöhung des Rentenalters, einschließlich der Reduzierung von Möglichkeiten, sich mit geringen Abschlägen vorzeitig in den Ruhestand zu verabschieden. Wer nur ungern länger Geld verdienen will oder es gar nicht kann, ist sauer. Doch es gibt zur längeren Lebensarbeitszeit keine Alternative.

Im jetzt begonnenen Wahlkampf stellt die SPD allerdings das höhere Rentenalter infrage. Sie droht also, sich von Schröders Agenda 2010 zu entfernen. Wobei eine Weiterentwicklung sinnvoll ist, angesichts der 2016 wirkenden Schuldenbremse aber besonders auf Ausgabendisziplin geachtet werden muss. Und nur aus wahltaktischen Gründen bei einer möglichen Agenda 2020 das Rad zurückzudrehen, wäre supergefährlich.