Atomgeschäft: Keiner verlässt das Schiff
Die Versorger wollen das Atomgeschäft an den Staat abtreten
Wenige Tage vor Kommunal- und Europawahl ist das politische Restrisiko geringer, wenn sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks gegen Vorschläge der Atomindustrie stellt. Aber auch fachlich spricht vieles dafür, dem Vorschlag der Energieriesen mit Skepsis zu begegnen. Über Jahrzehnte waren die Atomkraftwerke die Goldesel der Versorger. Nuklearstrom kostete in der Erzeugung knapp die Hälfte im Vergleich zu konventionellen Energien, den Preis für die Verbraucher dämpfte das laut Studien allerdings kaum. Jeweils am Quartalsende sorgten die Margen für Milliardengewinne. Das Schicksal der strahlenden Altlasten war nie mit einkalkuliert.
Doch nach der Katastrophe in Fukushima und der Energiewende sind die Meiler zum Klotz am Bein der Konzerne geworden. Fast reflexartig kommt der Ruf nach dem Staat — als hätte es die fetten Jahre nie gegeben. Das müffelt nach der Strategie mancher Banken in der Krise: Gewinne privatisieren, Risiken verstaatlichen. Natürlich muss ein Unternehmen versuchen, finanzielle Risiken für die Zukunft zu minimieren — für den Staat gilt das aber nicht minder.
Denn nichts anderes ist die Atomenergie: eine hochriskante Finanzwette. Ein zunehmend toxisches Papier, das die Konzerne nun loswerden wollen. Das wird bereits an den groben Zahlen deutlich. 30 Milliarden Euro wollen die drei Versorger in die Abwicklungsstiftung einbringen, wobei zumindest bei RWE nicht einmal klar ist, ob der schwächelnde Konzern das Geld überhaupt so schnell aufbringen kann.
Auf der anderen Seite stehen neun noch aktive Meiler, acht stillgelegte sowie neun weitere, die im Rückbau sind. Allein in Mülheim-Kärlich, das bis 1988 nur 30 Monate am Netz war, liegen die Kosten dafür bei mehr als 750 Millionen Euro, der Rückbau dauert noch immer an. In der Summe wird das Geld schnell verbraucht sein und unklar ist, welche Risiken in den kommenden Jahren zusätzlich auftauchen. Völlig offen ist zudem die heiß diskutierte Frage der Endlagerung, sowohl in Bezug auf den Standort als auch auf die Kosten.
Solange in all diesen Fragen keine Gewissheit herrscht, dürfen sich die Firmen nicht aus der Verantwortung freikaufen. Die Devise der Regierung muss lauten: Keiner verlässt das Schiff!