Meinung Das neue Tierwohllabel ist nur ein erster Schritt

Meinung · Das muss man Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner einfach lassen: Sie prescht mit Vollgas durch ihr Aufgabenfeld. Das Tierwohllabel war eine drei Jahre andauernde Schwerstgeburt.

Das geplante staatliche Tierwohl-Label für Fleisch wird bei der Bevölkerung nach Einschätzung von Agrarministerin Klöckner gut ankommen.

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Es wurde gemauert, verzögert, schier ewig verhandelt. Klöckner hat die Dinge nun zu einem Ende gebracht. Ob auch zu einem guten, entscheidet sich demnächst an der Ladentheke im Supermarkt.

Denn der Verbraucher muss der neuen dreistufigen Kennzeichnung auch vertrauen und dann zu den entsprechenden Produkten greifen. Es darf ihn nicht stören, dass nach Aussage der Ministerin wegen der Einführung des Labels und den damit erforderlichen, verbesserten Haltungsvorgaben Fleisch etwas teurer werden wird. Zumindest behaupten die allermeisten Kunden in Umfragen, sie seien bereit, mehr zu bezahlen, um Hühnern, Rindern und Schweinen schlechte Bedingungen bei der Aufzucht zu ersparen. Hehre Vorsätze in Umfragen und  tatsächliches Verhalten sind allerdings oft nicht deckungsgleich.

Nun gehen die Tierschützer bereits wieder auf die Barrikaden und sprechen von Verbrauchertäuschung, und auch davon, dass mehr Tierwohl noch mehr Platz im Stall erfordert als Klöckner es vorschlägt. Die Agrarwirtschaft hätte es am liebsten wohl kleiner. Soll heißen, die Lobbyinteressen sind riesig, denen sich die Ministerin ausgesetzt sieht.  An ihr wird von allen Seiten gezerrt. Ähnlich brutal geht es nur im Gesundheitsressort zu. Auch dort kann man es keinem Recht machen. Wahr ist allerdings, dass Klöckner Rücksicht auf ökonomische Interessen der Hersteller nehmen muss, sprich der Bauernschaft.

Ein Kommentar von Hagen Strauß

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Erfolg und Misserfolg des Vorhabens hängen freilich entscheidend davon ab, ob die neue Kennzeichnung die Haltungsbedingungen auch einfach, verständlich und schnell verdeutlicht. Hier muss die Ministerin noch liefern – und sie muss dabei aufpassen, dass ihr Tierwohllabel nicht nur eines von vielen wird.  Auch die großen Produzenten haben ja inzwischen begriffen, dass Verbraucher anders ticken und besserer Tierschutz eine gesellschaftliche Erwartung ist. Inzwischen haben viele ihre eigenen Siegel. Und das gewiss nicht nur, weil die Handelsriesen ihr Herz für Schweine entdeckt haben, sondern weil sich mit dem guten Gewissen der Kundschaft  auch gutes Geld verdienen lässt.

Wie sich das Klöckner-Siegel also davon abheben will, ist noch offen. Zumal es nicht Geflügel und Rinder abdeckt und schon gar nicht verpflichtend ist. Das wiederum ist alles in allem das größte Manko des Vorhabens – weshalb Zweifel bleiben, ob die Tiere es dank des Labels am Ende tatsächlich so viel besser haben werden. Mehr als ein erster Schritt ist es jedenfalls nicht.