Kommentar Die katholische Kirche und ihr Machtmissbrauch

Meinung · Es gibt zwei Gründe, die den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche abheben von allen anderen gesellschaftlichen Bereichen, in denen Kinder und Jugendliche auch missbraucht wurden und noch werden.

Symbolbild

Foto: dpa/Harald Tittel

Der eine liegt begründet in der besonderen Botschaft, deren Verkündigung die Kirche für sich in Anspruch nimmt und die ganz zentral auf dem Schutz und der Fürsorge für die physisch und psychisch Schwachen basiert. Ausgerechnet diesen behaupteten Schutzraum zum Missbrauch Minderjähriger zu nutzen, treibt die eigenen Anhänger in die Verzweiflung und bestärkt die Kritiker in ihrer Verachtung.

Der zweite Grund ist entgegen allen Abwehrversuchen doch ein struktureller. Ja, es gab und gibt auch in der evangelischen Kirche Missbrauchsfälle, aber in deutlich geringerer Zahl – und eine Kirchenleitung, die der Aufklärung im Wege stünde, müsste fürchten, von der aufgebrachten Basis im Zweifel aus dem Amt gejagt zu werden. Ja, es gab und gibt auch in Vereinen, Schulen und Jugendzentren Missbrauch. Aber bei aller Neigung zur Vertuschung auch dort reicht oft der Widerspruch Einzelner, um staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in Gang zu setzen, weil die äußere Kontrolle ausgeprägter ist.

Ein Kommentar von Ekkehard Rüger.

Foto: Sergej Lepke

Die katholische Kirche dagegen ist seit Jahrhunderten darauf angelegt, ein maximal hohes Maß an Eigenkontrolle zu bewahren. Das wird begünstigt durch ihre autoritäre Führungsstruktur, die an vielen Stellen Verschwiegenheit und Vertuschung befördert. Und dass der Zölibat, das Männerbündische und die Homophobie zu den Dauervorwürfen der Kirchenkritiker zählen, ändert nichts daran, dass diese Kritikpunkte gerade beim Missbrauchsthema besonders berechtigt sind. Das Gesichtwahren der Institution hatte viel zu lange Priorität – und hat es teilweise bis heute noch, wie die unterschiedliche Kooperationsbereitschaft der Bistümer mit den Forschern der Missbrauchsstudie beweist.

Es ist ja nicht so, als seien nicht auch zahlreiche Bischöfe glaubhaft erschüttert von den Erkenntnissen und ernsthaft bemüht, in ihrem Verantwortungsbereich den Betroffenen zu ihrem Recht zu verhelfen und künftige Fälle mit allen Mitteln der Sanktionierung und Prävention möglichst zu verhindern. Aber auch sie haben keinen Einfluss, wenn im Nachbarbistum die Täter und ihre Mitwisser weiter gedeckt werden. Und vor der Eröffnung eines kirchlichen Verfahrens steht nach wie vor die notwendige Zustimmung aus Rom.

Dort ist im Übrigen gerade zu erleben, wie der Missbrauchsskandal zum Instrument des kircheninternen Machtkampfs wird – wieder ohne irgendeine Rücksicht auf die Opfer. Sexueller Missbrauch ist immer auch Machtmissbrauch. Die katholische Kirche wird ihre Machtbalance massiv hinterfragen müssen.