Dieses Votum ist kein Schweizer Phänomen
In Europa haben viele Bürger Angst vor zu viel Zuwanderung
Die Schweizer haben gesprochen: weniger Einwanderung, weniger Europa, mehr Schweiz. Das wenn auch knappe Ergebnis der Volksabstimmung im Land der Eidgenossen lässt weit über die Grenzen des kleinen, wohlhabenden Staates aufhorchen.
Vor allem in Deutschland wird das Votum auch in den nächsten Tagen noch auf Widerhall stoßen.
Denn einerseits bilden Deutsche die zweitgrößte nationale Gruppe unter den Zuwanderern. Andererseits wünschen sich Millionen von Deutschen, dass auch sie einmal gefragt werden, ob sie die Zuwanderungspolitik so haben wollen, wie sie derzeit betrieben wird.
Aber in Deutschland wird es eine solche Abstimmung nie geben — aus Angst vor dem Ergebnis, aus Angst vor den Folgen für die Europäische Union.
Dass sich in der Schweiz die konservativen Kräfte durchgesetzt haben, ist kein Schweizer Phänomen. Überall im reicheren Teil Europas wird mit Argwohn auf die Völkerwanderung geblickt, die sich aus wirtschaftlichen Gründen im Süden der Union in Bewegung gesetzt hat.
In Österreich, Frankreich, den Niederlanden, auch in Dänemark haben jene Zulauf, die mit nationalistischen Parolen vor der Flucht in die Sozialsysteme warnen. Wenn ihre Beweggründe auch unsympathisch sind, die Gefahr sehen sie richtig.
Deshalb sollte die Politik außerhalb der Schweiz nun auch nicht die Nase rümpfen über die seltsamen Eidgenossen, die mal wieder stur ihren eigenen Weg gehen wollen. Dort ist die Lage eine andere als überall sonst in Europa. Wenn jeder vierte Einwohner Ausländer ist, ergibt sich auf das Thema Zuwanderung ein ganz anderer, vielleicht viel ängstlicherer Blick.
Die Schweiz ist aber nicht Deutschland. Hier liegt der Ausländeranteil bei neun Prozent, die Ressentiments sind im Verhältnis aber ähnlich ausgeprägt wie beim kleinen Nachbarn.
Die Schweiz wendet sich ab von der EU. Sie kann das, weil sie nicht Mitglied ist. Deutschland kann das nicht. Deshalb ließe keine Bundesregierung das Volk über Zuwanderung abstimmen, selbst wenn das möglich wäre.
Das entbindet die Politiker in Berlin aber nicht von der Pflicht, ideologiefrei über dieses Thema zu sprechen. Auf dass ein Weg gefunden werde, den die Bürger mitgehen können.