Meinung Ehekrach kurz vor Ultimo
Die laufende Wahlperiode geht mit einem großkoalitionären Donnerhall zu Ende. Bei der Union klagt man über Vertragsbruch, derweil die SPD im Siegesrausch ist. Selten waren die Genossen so von sich beindruckt wie in diesen Tagen.
Und stünde die nächste Bundestagswahl nicht schon gewissermaßen vor der Tür, dann wäre aus dem Vertragsbruch wohl sogar ein Koalitionsbruch geworden. Dabei geht es eigentlich um eine vergleichsweise kleine Gruppe: So richtig und wichtig die „Ehe für alle“ für die rund 94.000 gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften in Deutschland auch ist, so wenig hat dieser Bundestagsbeschluss mit der Lebenswelt der übrigen Bevölkerung zu tun. Die allermeisten dürften das Gesetz mit freundlichem Schulterzucken quittieren. War es das schwarz-rote Zerwürfnis wert?
Diese Frage stellt sich umso mehr, als Union und SPD in den letzten vier Regierungsjahren Jahren erstaunlich gut harmoniert haben. Man denke nur an die verabschiedeten Gesetze zur Reform der Pflegeversicherung, zum Mindestlohn, zu Mütterrente, Rente mit 63 sowie Frauenquote, bis hin zur Verbesserung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende. Schwarz-Rot einen Abriss des Sozialstaats zu unterstellen, wie das die Linkspartei regelmäßig tut, geht daher schlicht an den Realitäten vorbei. Wenn es in der großen Koalition wirklich knirschte, denn weniger zwischen Union und SPD als vielmehr zwischen den Unionsparteien selbst. Hier sei an CSU-Chef Horst Seehofer erinnert, der die Asylpolitik seiner CDU-Amtskollegin Angela Merkel als „Herrschaft des Unrechts“ geißelte und deshalb sogar mit einer Verfassungsklage drohte. Im Vergleich dazu war die Aufregung über Äußerungen von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zur politischen Inhaltsleere Merkels („Anschlag auf die Demokratie“) am vergangenen Wochenende doch einigermaßen übertrieben. Zumal alle Parteien bereits im Wahlkampfmodus sind. Und der sollte von politischen Zuspitzungen leben.
Genau vor diesem Hintergrund ist es dann allerdings auch zum jüngsten Beschluss über die vollständige Gleichstellung homosexueller und heterosexueller Paare gekommen. Die SPD nahm sich des Themas nicht nur deshalb an, weil es ihr am Herzen liegt, sondern um der Union eins auszuwischen. Schließlich haben auch die Sozialdemokraten in der Vergangenheit regelmäßig „Nein“ gesagt, wann immer die Opposition das Thema auf die Tagesordnung setzen wollte. Insofern ist es auch noch längst nicht ausgemacht, ob den Genossen die „Ehe für alle“ nun tatsächlich einen Geländegewinn im Wahlkampf beschert. Nur eins ist klar: Zum ersten Mal haben die Sozialdemokraten von einer rot-rot-grünen Mehrheit im Bundestag auch wirklich Gebrauch gemacht. Das könnte die Union bis zur Bundestagswahl im Herbst noch kräftig ausschlachten. Bei der Wahl im Saarland Ende März hat das übrigens schon mal funktioniert.