Meinung Brandschutz statt Rendite und Bürokratieabbau

Ist es überzogener behördlicher Aktionismus, wenn in Wuppertal ein Hochhaus wegen mangelnden Brandschutzes evakuiert wird? Ist es übertrieben, dass nun in anderen Städten geprüft wird, ob es dort auch Gefahrenherde gibt?

Peter Kurz.

Foto: Sergej Lepke

Keineswegs. Eine Katastrophe wie die von London, da darf man sich nichts vormachen, wäre auch bei uns denkbar.

Wir haben Brandschutzvorschriften, die vor allem an öffentlichen Gebäuden pingelig genau genommen werden. Siehe die unendliche Geschichte um den nie fertig werdenden Berliner Flughafen. So ärgerlich die Verzögerungen auch sind — Sicherheit muss vorgehen. Doch sollte das in gleicher Weise auch für Wohngebäude gelten. Und hier scheint sich abzuzeichnen, dass man all das nicht so genau nimmt. Und so mit dem Leben der Menschen spielt.

Im Wuppertaler Fall hat die Stadt als für die Bauaufsicht zuständige Behörde darauf hingewiesen, dass sie die wechselnden Eigentümer des jetzt aus Brandschutzgründen evakuierten Objekts mehrfach aufgefordert habe, die Mängel abzustellen. Doch nichts sei passiert. Wenn nun die Immobilienfirma nach der Evakuierung mitteilt, man sei dabei, die Beseitigung der sicherheitstechnischen Mängel in die Wege zu leiten, so spricht diese Reaktion Bände. Jetzt, da ein hoher wirtschaftlicher Schaden droht — Mietminderung und Schadensersatzansprüche durch Kosten der Ausweichquartiere — da geht auf einmal alles ganz schnell.

In Zeiten, in denen einst in öffentlicher Hand befindliche Wohnungsgesellschaften längst privatisiert sind und ein Wohnungsriese den anderen schluckt, ohne genauen Überblick zu haben, welchen Wohnungsbestand er sich da einhandelt, richten die Großvermieter vor allem den Blick auf die erzielbare Rendite. Was Kosten verursacht, stört da nur. Auf der anderen Seite ist es hochmodern, Bürokratieabbau zu fordern, die staatlichen Kontrolleure personell auszudünnen und Vorschriften „auszumisten“.

Doch wenn diese Vorschriften und deren Kontrolle über Leben und Tod entscheiden, ist Bürokratieabbau ein gefährliches Spiel. Wie hochnäsig reagieren wir doch oft, wenn wir nach einer Katastrophe im Ausland sagen, so etwas könne so etwas hier bei uns nicht passieren. Mal abgesehen davon, dass das eine unzulässige Hybris ist, gilt doch umgekehrt: ein Plus an Sicherheit ist geradezu das Ergebnis von mehr Kontrolle.